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ßlumliardt: Natürlicher und beeinflusster Somnambulismus. 257
Plage nicht aufhöre, so werde es ihr Tod sein. Es war
auch deutlich zu sehen, dass sie damals mit jedem Tage
abgezehrter wurde.
Diese Sache erschreckte mich natürlich sehr, denn dergleichen
hatte ich noch nicht gehört, als höchstens inVampyr-
mährchen, die je und je von phantasiereichen Dichtern auf
eine schauerliche, abenteuerliche Weise erzählt worden sind.
Später hörte ich freilich allerlei Sagen, die unter dem Volke
im Gange sind, wie namentlich, dass bisweilen Kinder dieser
Plage ausgesetzt seien, die man den sogenannten bösen Leuten,
d. h. Hexen zuschreibt; vor der Zeit brauchte ich ordentlich
Zeit, mich zu sammeln und zur traurigen Ueberzeugunp
zu kommen, dass die JFinsterniss so viele Macht über die
Menschen sollte bekommen haben. Mein nächster Gedanke
war: „Jetzt bist du fertig, jetzt geht's in die Zauberei und
Hexerei hinein, und was willst du gegen diese machen?"
AVenn ich aber das jammernde Mädchen ansah, so schauderte
mich's vor der Möglichkeit der Existenz jener Finster-
niss und vor der Unmöglichkeit der Hülfe. Es fiel mir
ein, dass es Leute gebe, denen man geheimnissvolle Künste
zur Abwehr von allerlei dämonischen Uebeln zuschreibe,
sympathetische Mittel, welchen immer unbedingter Hohe
und Niedere huldigen. Sollte ich etwa nach dergleichen
Mitteln mich umsehen? Das hiess, wie ich längst überzeugt
war, Teufel mit Teufel vertreiben. Ich erinnerte mich alsbald
einer Warnung, die ich schon einmal bekommen hatte,
da ich damit umging, etwa den Namen Jesu an die Thüre
der Wohtmng der Kranken zu heften, oder sonst dess etwas
zu versuchen, weil eben guter Rath schwer zu finden war.
Unter solchen Gedanken las ich Morgens die Losung der
Brüdergemeinde jenes Tages, welche lautet: „Seid ihr auch
so unverständig ? Im Geist habt ihr angefangen, wollt ihr's
denn nun im Fleisch vollenden ?" Gal. 3, 3. Ich verstand den
Wink, und Gott sei gepriesen, der mich geleitet hat, stets
bei den lautern Waffen des Gebets und Wortes Gottes zu
bleiben. Soll, durchfuhr es mich, gläubiges Gebet nicht
wider obige Satansmacht, worin sie nun bestehen möge, etwas
auszurichten vermögen? Was sollen denn wir armen Menschen
machen, wenn hier nicht directe Hülfe von Oben zu erflehen
ist? Ist Satan hier im Spiel; ist's recht, es dabei zu lassen?
Und kann es nicht durch den Glauben an den wahrhaftigen
Gott niedergetreten werden? Wenn Jesus gekommen ist, die
Werke des Teufels zu zerstören, soll solches nicht hier vornehmlich
gehalten werden? Giebt's eine Zauberei und Hexerei,
ist's nicht Sünde, sie unangetastet ihr Spiel treiben zu lassen,
wenn Gelegenheit sich zeigt, ihr mit Ernst die Spitze zu bieten?
Psychische Studien. Juni 1882. 17
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