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322 Psychische Studien. IX. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1882.)
die untere Mäche auf dasselbe einzuwirken vermöchte, da
der überragende Theil in der dritten Kaumdimension steht, _
und ihm unsichtbar ist. Diese untere Fläche wäre also die
Projection eines Körpers aus einer höheren Mannigfaltigkeit
, aber darum doch kein Schattenbild. Es muss
daher nicht jede Projection ein Schattenbild sein.
Man kann aber noch in einem weit richtigeren Sinne
von Projectionen sprechen. Wenn ich mir ßart und Haare
scheeren will, so muss ich vor einen Spiegel treten, um
die Operation zu sehen. Wir haben dann Handlungen
und Realitäten aus und in einer dreifach ausgedehnten
Mannigfaltigkeit, und doch nur die Projection Ab zweifach
ausgedehnte Mannigfaltigkeit, nämlich das Bild auf der
Spiegelfläche. Ich kann meine Haare nicht im Spiegel
schneiden, sondern nur an mir selbst, als sichtbaren Vorgang
aber kann ich nur das Spiegelbild haben; auf gleiche
Weise mache ich meine chemischen Experimente nicht mit
den Bildern, die ich davon im Kopfe habe, sondern mit
Realitäten im absoluten Räume, wenngleich im Kopf nur
Bilder sind. Auf gleiche Weise kann ich mit Chemikalien,
die nicht in meine Anschauung fallen, nicht experimentiren;
denn sie sind für mich nicht vorhanden. Es wäre ein
Fehler, unter „Projection" nur die optische zu verstehen.
Was also heisst die dreidimensionale Projection eines
Körpers aus vierfach ausgedehnter Mannigfaltigkeit? Nichts
anderes, als das dreidimensionale Bild unserer
Vorstellung für Objecte und Vorgänge in einer höheren
Mannigfaltigkeit. Alles, was wir thun, thun wir im absoluten
Räume — es gibt nur ein Dasein, eine Welt —in
unserem Bewusstsein aber steht davon nur ein dreidimensionales
Bild! Darum hat Schopenhauer Recht, wenn er
sagt: die Welt ist meine Vorstellung.*)
*) Unter Jene, welche sehr sonderbare Begriffe mit der vierten
Raumdimension zu verbinden vermögen, gehört auch Professor Robert
Zimmermann, welcher in seiner neuesten Publication: »Henry More
und die vierte Dimension des Raumes" abermals in gedeckter Stellung
einen nergelnden Angriff auf den „geist- und geisterreichenu Zöllner
und den Spiritismus macht. (Der erste geschah durch seine Schrift
„£ant und der Spiritismus".) Er behauptet nämlich, dass More unter
den Zeugen für die vierte Raumdimension im Sinne Ranfs und des
Spiritismus kaum angeführt werden dürfe, weil More unter der vierten
Dimension nur die Möglichkeit (für Geister) versteht, sich beliebig zu
verdünnen oder zu verdichten! (Seite 47.)
Niemand hat More als Zeuge in diesem Sinne angeführt, aber abgesehen
davon hat Professor Zimmermann weder den tiefen Sinn der
Worte More's, noch die vierte Raumdimension aufgefasst.
Zöllner hat als gewissenhafter Autor alle Namen angeführt, welche
seines Wissens vor Kant von einer vierten Dimension des Raumes
oder dem ähnlichen gesprochen. Er musste daher auch More erwähnen,
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