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326 Psychische Studien. IX. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1882.)
(Prof. Zöllner hat diese Stellen gesammelt und verwerthet,
wo sie der Leser finden kann.)
Nun entstellt die Frage, wo und was ist das Band,
an dem wir und alle Planeten festgehalten werden, das
nicht zerreisst, wenn es ein anderer Himmelskörper auch
durchschneidet, und das doch nicht sichtbar ist? Können
wir über dieses mystische Band gar nichts aussagen?
Wir können Einiges von ihm aussagen, und zwar in
erster Linie, dass diese Leine, an der wir um die Sonne
geschleppt werden, ganz ausserordentlich viele Fäden hat,
aus denen sie zusammengesetzt ist. Wir wissen nämlich,
dass die Anziehung im geraden Verhältnisse der Massen
erfolgt, was nicht nur durch die Astronomie, sondern auch
durch einen Pendel in der Nähe eines Gebirges schlagend
nachgewiesen wird; die Anziehung der Materie erfolgt
wirklich im geraden Verhältnisse der Masse, und im umgekehrten
Verhältnisse des Quadrates der Entfernung.
Niemand wird daran zweifein, dass die halbe Sonne nur
die Hälfte, der tausendste Theil der Sonne nur den tausendsten
Theil der Anziehungskraft hätte; wir haben mit Hilfe
der Kepler'sehen und Newton?sehen Gesetze so viele Controls-
behörden für die Wahrheit unserer Behauptung, als es
Planeten im Sonnensysteme giebt.
Wenn aber jede Art der Materie im Verhältnisse der
Masse anzieht, so folgt daraus, dass jedes Atom der
Sonne bis zur Erde mit seiner Anziehungskraft
reiche, weil die Vermehrung der Atome ja den Strick
nicht zu verlängern, sondern nur zu verstärken, zu verdicken
vermöchte. Es folgt daraus, dass auch die Atome,
die meinen Leib constituiren, bis zur Sonne reichen, allerdings
nicht wie ein Seidenfaden, wohl aber in ihrer Kraft-
äusserung, wenn die Massenhaftigkeit der Sonne davon auch
nicht sonderlich beeinflusst sein wird.
Das Gesetz der Gravitation, oder die Wirkung von
Materie auf Materie bringt es also mit sich, und zwar mit
unerbittlicher Oonsequenz, dass, wenn Menschen in ein
Zimmer kommen, die gegenseitigen Kraftäusserungen der
sie constituirenden, nach Billionen zählenden Atome ein
förmliches Netz von solchen imaginären Fäden
bilden. Trotz dieser aus zahllosen Quellen strömenden
Kraftäusserung empfinden wir davon nichts — und doch!
Wir empfinden davon, denn wir sehen einander!
. .. Unter allen Umständen ist es eine festgestellte Wahrheit
, dass, wo immer sich Licht, Wärme oder Ton befinden,
Schwingungen im Spiele sind, daher denn auch Fäden —
welcher Art immer — vorhanden sein müssen, welche
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