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Psychische Studien. IX. Jahrg. 8. Heft. (August 1882.) 361
Das phänomenale und das transcendentaleZeitmaass*).
Von Iiazar Baron von Heilenbach.
II.
(Schluss von Seite 327.)
All unser Wissen und Denken beruht auf der Punktion,
zu einer empfundenen Wirkung die Ursache zu suchen;
je befähigter wir nun sind, dieses Geschäft zu besorgen,
desto mehr werden wir wissen, desto umfassender werden
wir Raum und Zeit beherrschen! Der Leser stelle sich in
Gedanken auf den Gipfel einer 5000 Fuss hohen Alpe, die
— eine Welt im Kleinen — so oft auf steilem, felsigem
Gemäuer eine sehr ausgedehnte, herrlich grüne Rasenfläche
mit prachtvollen Bäumen trägt. Auf diesem Plateau mögen
sich ausser ihm noch Repräsentanten des Pflanzen- und
Thierreiches befinden, etwa eine Gemse, ein Insect, ein
Vogel und diverse Pflanzen zwischen einzelnen Felsblöcken.
Auf alle diese Objecte und Wesen wirken sämmtliche
Relationen und Schwingungen aus himmlischer und irdischer
Ferne ein, und doch, was empfinden, also wissen der Stein,
der Baum, das Insect, der Vogel, die Gemse und der
Mensch davon? Ist das nicht höchst verschieden ? Ja selbst
mehrere Menschen würden ganz anders sehen und schliessen,
anders der Hirt, der Jäger, der Denker, der Poet oder ein
verliebtes Paar!
Alle Geschöpfe schwimmen gleichs am in einem
Ocean von möglichenEinwirkungen, in einem
Gewebe von zahllosen Fäden, für welche wir die Ursachen
gar nicht suchen können, weil wir die Einwirkung nicht
empfinden, d. i nicht zum Bewusstsein bringen können, und
nur ein winzig kleiner Theil der wirkenden Kräfte wird
empfunden, für welche wir in der Regel sehr ungenügende
und nicht weit reichende Ursachen haben. Ein Wissen
kommender Ereignisse heisst aber nichts
anderes, als in den Ursachen die Wirkungen zu
erfassen; es heisst, die Fähigkeit haben, die Wirkungen
der Ursachen ad infinitum zu überblicken; es wird dadurch
klar, dass dieses Wissen etwas sehr relatives ist. Ein allwissendes
Wesen wäre z. B. weiter nichts, als ein mit voll-
**) Aus: „Die Magie der Zahlen als Grundlage aller Mannigfaltigkeit
und das scheinbare Fatum." Von Hellenbach. (Wien 1882,
im Selbstverlag des Verfassers und bei Oswald Mutze in Leipzig)
200 S. 8», Preis 4 Mark, das XII. Capitel von Seite 144-158. üeber
das Buch selbst haben wir bereits unsere dasselbe empfehlende Besprechung
gebracht in „Psych. Studien41, April-Heft 1882, S. 189 sub a). —-
Die Red.
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