Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
9. Jahrgang.1882
Seite: 380
(PDF, 165 MB)
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380 Psychische Studien. IX, Jahrg. 8. Heft. (August 1882.)

Ein Somnambuler/)

In der Provinz Posen, unweit des Städtchens Rogasen,
in dem Dorfe Gross-Galle, lebt ein Mann, der in der
ganzen Gegend und zum theil auf weite Entfernungen als
der „schlafende Prediger" bekannt ist. Derselbe hält fast
jede Nacht kurz nach dem Einschlafen und unmittelbar
vor dem Erwachen eine viertel- bis zweistündige sehrift-
gemässe und erbauliche, ja, was noch mehr ist, eine zusammenhängende
und ergreifende Predigt, oder auch, und
namentlich des Morgens, einen kurzen Lobgesang oder ein
Gebet.

Der merkwürdige Mann heisst August Schüler, ist 54 Jahr
alt, soll schon seit 26 Jahren die genannte Eigen thümlich-
keit besitzen und befindet sich, nachdem er durch allerlei
Unfälle um sein vorher selbst erworbenes Vermögen gekommen
ist, augenblicklich als Arbeiter und Familienvater
in den dürftigsten Verhältnissen. Er hat nie einen besonderen
Unterricht genossen. In der von ihm besuchten
Dorfschule gelangte er nicht einmal in die erste Klasse.
Ehe der Mann zu predigen beginnt, lässt er ein vernehmliches
Stöhnen hören, wobei und worauf ein starrkrampfähnlicher
Zustand eintritt. Unbeweglich, auch für äussere
Eindrücke unempfindlich, ohne Athem zu holen, die Hände
über der Brust gekreuzt, stark transpirirend, liegt er auf
dem Rücken und stösst zuerst immer einige abgerissene
Worte oder Sätze heraus, worauf er bald in einen sich
stetig steigernden Redefluss kommt. Die Reden selbst sind
mit allen rhetorischen Kunstmitteln ausgestattet und würden
nach der Ansicht des Einsenders sicherlich ziemlich hohen
Anforderungen, die man an einen Kanzelredner zu machen
berechtigt ist, genügen. Sie drehen sich gewöhnlich um
solche Gegenstände und bewegen sich in solchen Gedanken,
wie sie den etc. Schüler namentlich bei Tage vorzugsweise
beschäftigen. In den 5 Reden, die der Einsender dieses
stenographisch aufnahm, kehrte immer der Gedanke an
das ängstliche Sorgen wieder. Der Mann lebt nämlich in
der That in Sorgen, rechnet sich das augenscheinlich zur
Sünde an, und so mag sein ängstliches Predigen ein Spiegelbild
seines Seelenlebens sein. Die Predigten gehen immer

*) Entnommen der Beilage zu Nr. 152 des „ßeichsboten."
Berlin, Sonntag, den 2. Juli 1882. — Wir bringen diesen Artikel
zum Beweise, dass auch aufrichtige Theologen der heutigen Zeit
diesen und ähnlichen merkwürdigen Erscheinungen des Seeleniebens
in ihren Gemeinden nicht fern stehen bleiben und nicht immer
Teufelswerk hinter ihnen wittern. — Die Red action.


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