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Blumhardt: Natürlicher und beeinflusster Somnambulismus. 399
Laben höchstens je und je ein Gefühl davon, was sie im
Geiste thun, ohne dieses Gefühl sich erklären zu können.
Es sind also jedenfalls höchst unglückliche Menschen, und
es folgt daraus, dass die Beschuldigung eines lebenden
Menschen in der Regel eine Unbarmherzigkeit ist und von
vornherein völlig verworfen werden muss, weil sie zu keinem
Resultate führen kann, indem die Beschuldigten oft völlig
unschuldig sind, und wenn nicht immer, doch in der Regel,
wenn man sie auch, wie in Hexenprozessen geschehen ist,
mit Marterwerkzeugen zum Geständnisse bringen kann, sich
als unschuldig betrachten.*) Ich danke Gott, dass ich von
Anfang an von dem Grundsatze ausgegangen bin, keine Beschuldigung
, zu der ich oft Veranlassung hatte, bei mir aufkommen
zu lassen, und Niemand für das anzusehen, wofür
ich ihn vielleicht hätte ansehen können. Ich wäre dadurch
in eine schauerliche Verwirrung gerathen, in welcher Satan
mit mir und meiner Sache gewonnenes Spiel gehabt hätte.
Wenn übrigens der gebundene Mensch von dem, was
er im Geiste thut, oder zu thun gezwungen ist, kein Be-
wusstsein im gewöhnlichen Leben hat, so folgt daraus nicht,
dass er dafür nicht zurechnungsfähig ist. Er ist es schon darum
, weil die Sünde der Abgötterei seiner Gebundenheit zu
Grunde liegt, und weil auch im Geiste ihnen der freie Wille
bleibt, dem Satan sich völlig hinzugeben, oder nicht. Alle
Zurechnung aber und Folge mag verschwinden, wenn nur
die getriebene Abgötterei bereut und erkannt wird als eine
der schwersten Sünden, weil sie direkt wider das erste Gebot
geschieht, und so den eigentlichen Abfall von Gott ausmacht
. Weil aber die Abgöttereisünden im Leben selten
bereut werden, indem man entweder keine Gefahr daraus
fürchtet, oder wenigstens, wenn man auch ein unerklärliches
Grauen davor hat, die Gefahr nicht erkennt und nicht hoch
genug anschlägt, so dauert meist die Gebundenheit nach
dem Tode fort. Jetzt gehen dem betrogenen und durch
des Teufels List gefangenen Menschen die Augen auf. Jetzt
bleibt es ihm aber auch noch freigestellt, ob er sich dem
Dienste des Satans völlig hingeben wolle, oder nicht. Im
*) Hier waltet offenbar das unbewusste und unwillkürliche vegetative
Nervenleben unsrer „Psyche", und ebensowenig wie bei den
Hexen, darf bei den modernen Medien der Maaszstab der moi alisehen
Verantwortlichkeit für derartige Geschehnisse an den bewussten Geist
des Patienten angelegt werden. Deshalb leugnen wir die im Folgenden
befremdlicher Weise doch wieder theologisch behauptete Zq-
rechnungsfähigkeit, welche höchstens nur dann angenommen werden
kann, wenn der bewusste Wille zum Theil Herr über die Voibe-
dingungen zu derart eintretenden Erscheinungen sein sollte. —
Der Sekr. d. Red.
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