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Wittig: Differenz u. Correspondenz von Bewegung u. Empfind, etc. 421
im eigentlichsten Sinne eine getreue Wiederholung dessen,
was Münchhausen vermochte, der es bekanntlich verstand,
sich an seinen eigenen Haaren aus dem Sumpf herauszuziehen
. Eingeschlossen eben in jene beiden einander entsprechenden
Welten des Mechanismus und der Psyche, giebt
es für uns gar keine höhere Wurzel beider, schon aus dem
einfachen Grunde, weil beide als Grundvoraussetzungen in
den Anfängen unserer Erkenntniss fungiren. Jeder Versuch
einer Erklärung dieses Phänomens, des einzigen und gänzlich
unbegreiflichen Wunders, das wir kennen, würde den
lächerlichen Widerspruch in sich tragen, das Material, dessen
er sich bei seinen Deductionen bedient, wiederum erklären
zu müssen, den irrationellen Connex des rein phonetischen
Schalles mit dem inhaltlichen Begriff; mit anderen Worten,
es würde dies die Häufung eines Räthsels auf dem andern
bedeuten, und die ganze Operation würde in einer gänzlich
mystischen Phantasterei endigen." —
Weiterhin sagt unser Kriticus: — „Jener Dualismus
also ist das Grundgesetz wenigstens jeglicher menschlichen
Erkenntniss. Vielleicht verschwindet er auf den Stufen
höherer Geisterentwicklung; aber so lange der Spiritismus
mit seinen wüsten Spukvorstellungen die besonnene Arbeit
nüchterner Wissenschaft noch nicht widerlegt hat, so lange
trägt der Mensch in und an sich selbst jenes methodologische
Princip mit sich herum, und keine noch so verfeinerte Spekulation
kann ihm dies unveräusserliche Eigenthum rauben.
Wenn überhaupt eine Vermuthung gestattet ist, so sind
jene beiden Urthatsachen: Empfindung und Bewegung nicht
im Bereich individueller Existenz zu begreifen, sondern
aufzufassen als Acte des Kosmos, des Absoluten, oder wie
man sonst will, als Strahlenbrechungen jenes Allwesens, das
für unsere Erkenntniss sich bei der Schaffung jeglichen
individuellen Daseins in diese beiden Sphären auslässt." —
Der Verfasser kämpft, wie er sich weiter äussert, nur
gegen den alten Grundfehler des philosophischen Verfahrens,
der im Monismus wieder einmal handgreiflich zur Darstellung
komme: „gegen die leidige Manier, mit beschränkten
Mitteln einen luxuriösen Haushalt zu gründen, auf höchst
beschränkter Basis eine umfassende Weltanschauung zu
entwickeln, mit Benutzung einigen empirischen Materials
eine grossartige metaphysich abschliessende Perspective zu
eröffnen. Nachdem die (Barwin'sche) Entwickelungslehre
immer mehr Terrain in den einzelnen Wissenschaften gewonnen
, glaubte man die Zeit gekommen für eine gründliche
Beform der Philosophie an Haupt und Gliedern; wie
alles im Wege der künstlichen und natürlichen Züchtung
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