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494 Psychische Studien. IX. Jahrg. 11. Heft. (November 1882.)
Wenn die Bewegung ohne Berührung oder materielle
Verknüpfung eine Thatsache ist, so ist sie durch kein noch
so geschicktes Argument umzudeuten, durch keine noch so
grosse Autorität zu beseitigen. Missbrauch und Lächerlichkeit
sind gleich machtlos, sie ums Leben zu bringen, wiewohl
sie eine Zeit lang deren Anerkennung verzögern mögen.
Wie es stets war, so ist es noch, und wird vielleicht immer
so sein. Priester sind nicht die alleinigen Verfolger. Auch
die moderne Wissenschaft hat ihre Inquisition, ihre Ex-
communikation, ihre moralischen Torturen für die Galileds,
welche sich weigern, ihre Dogmas anzunehmen, und welche
es wagen, Thatsachen zu behaupten, die ihr Glaubensbe-
kenntniss zu erschüttern scheinen. Es mag das eine Zeit
lang die Schüchternen von der Untersuchung zurückschrecken
und die Diener der Zeit zur Verleugnung der Wahrheit verleiten
; aber das wird die Thatsache nicht verändern.
Wenn alle Wissenschafter in Europa zusammengenommen
urtheilen wollten, dass Bewegung schwerer Körper durch eine
noch unerforschte Kraft ohne materielle Berührug keine
Thatsache sei, weil sie ihren vorgefassten Begriffen widerspreche
, und wenn sie die Macht dazu hätten, wie sie den
Wunsch und Willen hegen, ihre Vertheidiger zum Widerruf
oder zum Stillschweigen zu zwingen, so würde dennoch
die Antwort hierauf lauten, wie schon einmal: — abersie
bewegt sich doch!*)
*) Selbstverständlich sind seit der letzten Ausgabe von Mr. Cox's
„Spiritualism answered by Science witb the Proofs of a Psychio
Force" (London, Longmann Co.% 1872) volle zehn Jahre über unsere
Köpfe und damalige Stellungnahme des Mr. Cox zur Sache hinweggerauscht
. Die Position der wirklichen Gelehrtenwelt zu den Kernphänomenen
des Mediumismus oder Psychismus der Neuzeit ist doch
inzwischen eine andere, wesentlich beobachtende und forschende geworden
. Seit Wallace, Crookes und ein deutscher Astrophysiker von
dem Kufe eines Zöllner diese Phänomene eines eingehenderen wissenschaftlichen
Studiums für würdig und dieselben somit für zunftfähig
erachteten, ist es nur noch eine Frage der allernächsten Zukunft,
dieselben ebenso allgemein anerkannt, weiter erforscht, gesammelt
und rubrizirt zu sehen, wie man jetzt das früher als teuflisch verschrieene
altgermanische Heidenthum in Märchen, Sagen, Historien,
Orts-, Pflanzen- und Thiornamen sorgfältigst aufsucht und in gegenseitige
Beziehungen bringt. Wer die Erscheinungen des modernen
Spiritualismus und Spiritismus nicht auf ihre wirkliche Thatsäch-
keit zu reduziren vermag, ist unseres Erachtens noch gar kein rechter
Mann der wahren Wissenschaft. Die Sache wird sich auch ohne ihn
weiter behelfen. Wer aber einmal an die Sache herangetreten ist,
hat auch die heilige Verpflichtung, sein Schärflein zur Aufklärung
des schwierigsten aller psychischen Probleme, des Mediumismus mit
allen seinen räthselhaften Erscheinungen beizutragen, selbst wenn er
in seinen ersten Hypothesen irren sollte. Durch stetes Irren und
Sichverbessern ist die Wissenschaft zu ihrer heutigen Höhe fortge-
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