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498 Psychische Studien. DL Jahrg. 11. Heft. (November 1882.)
was oben erzählt wurde, erhängte sie sich ein Mal im Walde
vermittelst ihres Halstuches. Ohne zu wissen, was sie that,
trug sie Steine zusammen, um hoch genug zu hängen, und
das Halstuch hing sie künstlich am Baum an. Schon hing
sie — aber das Halstuch zerriss, und der heftige Sturz
brachte sie wieder zur Besinnung. Am gleichen Abend,
noch ehe ich etwas davon wusste, hörte ich aus ihr einen
Dämon ausrufen: „Dass dab Mädele nicht umzubringen ist.
Sie hat sich erhenkt, und der Strick hat müssen reissen!"
Mehr als ein Mal kamen förmliche Blut stürz ungen vor,
bei welchen sie nicht nur dem Tode nahe, sondern bisweilen
schon dem Tode verfallen schien. Auch bei den Erbrechungen
verschwand oft auf mehrere Minuten Athem und Puls, und
Todeszüge waren in ihrem Gesichte.
Einmal, ich erzähle es lieber vollends, obwohl man
sich hierüber am schwersten zurecht finden wird, wollte sie,
nur halb bei Besinnung, eine Oefinung in die Haut des
Vorderleibes machen, um einer Nadel den Weg zu bahnen.
Sie stach sich mit dem Messer in den Leib, und es that
ihr eigentlich wohl, mit dem Messer in dem Leibe zu
wühlen, bis der Magen durchstochen war, worauf dann alle
Speisen, die sie genoss, an der Magengegend wieder heraus
kamen. Ihre Freundinnen bezeugten es, und der Arzt sah
die Wunden noch zu einer Zeit, da ihr Anblick ihn von
der Wahrheit des Erzählten überzeugen konnte. Die Wunde
konnte zunächst nicht tödtlich sein, weil es nicht ihre That
war, also göttliche Bewahrung einschritt; sie konnte es
aber werden und musste es, wenn der (Haube auch nicht
hierin die Allmacht Gottes ergriffen hätte.*)
Einmal wurden alle Wunden, auch die letztgenannte,
plötzlich wieder aufgerissen, und die Gefahr war aufs
Aeusserste gestiegen- Ich blieb beim Glauben, der mich
nie zu Schanden machte. Als in der grössten Bestürzung
*) Auch wer diese angeblichen Ereignisse nicht als bloss vorgespiegelte
Phantasmagorien der kranken Psyche aufzufassen
geneigt sein sollte, wird schwerlich an deren positive Wirklichkeit
zu glauben im Stande sein. Gott behüte uns vor Medien
mit dergleichen total veikebrten Neigungen und krankhaften Ausgeburten
! Es ist besser, sie glauben heut zu Tage mit ibren Cirkeln an
bloss niedere (»eister anstatt an Teutel, so dass schon hierin ein
kleiner Fortschritt constatirt wäie. Aber unser Ciikeleinfluss sollte
auf solche Medien ein immer veredelterer und besserer werden, hier
gälte es, mit ihnen exacttste psychologische und physiologische
Piüfungen anzustellen. (Veigl. Note 2$. 195 des Maiheites mit Note
S. 79 ff. des Februar-Heftes 1882.) — Auch Mws Lurancy Vennum
zeigte dieselbe bucht, sich im Trance-Zustande in Folge einer bestimmten
Vorstellung selbst gefährlich zu verwunden. Vergl. September
-Heft 1881 S. 396 mit November-Heft 1881 S. 493. — S. d. Eed.
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