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502 Psychische Studien» IX. Jahrg. 11. Heft. (November 1882.)
er nicht so gemein, wie andere Sünder, seine Rolle niederlegen
, sondern gewisser Maassen mit Ehren in die Hölle fahre.
Solches schauerliche Gemisch von Verzweiflung, Bosheit,
Trotz und Hochmuth ist wohl schwerlich, ja nirgendwo erblickt
worden.*)
Unterdessen schien in der unsichtbaren Welt immer
rascher sein erwarteter Untergang vorbereitet zu werden.
Endlich kam der ergreifende Augenblick, welchen unmöglich
Jemand genügend sich vorstellen könnte, der nicht Augen-
und Ohrenzeuge war. Um 2 Uhr Morgens brüllte der angebliche
Satansengel, wobei das Mädchen den Kopf und
Oberleib weit über die Stuhllehne zurückbog, mit einer
Stimme, die man kaum bei einer menschlichen Kehle für
möglich halten sollte, die Worte heraus: „Jesus ist Sieger,
Jesus ist Sieger!" Worte, die, so weit sie ertönten, auch
verstanden wurden und auf viele Personen einen unauslöschlichen
Eindruck machten. Nun schien die Macht und
Kraft des Dämons mit jedem Augenblick mehr gebrochen
zu werden. Er wurde immer stiller und ruhiger, konnte
immer weniger Bewegung machen und verschwand zuletzt
ganz unmerklich, wie das Lebenslicht eines Sterbenden verlöscht
! jedoch erst Morgens gegen 8 Uhr. Das war der
Zeitpunkt, da der zweijährige Kampf zu Ende ging.
Dass dem so sei, fühlte ich so sicher und bestimmt,
dass ich nicht umhin konnte, am Sonntage, Tags darauf
da ich über den Lobgesang der Maria zu predigen hatte,
meine triumphirende Freude merken zu lassen. Es gab
freilich hintennach noch Mancherlei aufzuräumen, aber es
war nur der Schutt eines zusammengestürzten Gebäudes.
Mit dem halbblinden Bruder, einem bescheidenen und
demüthigen, auch christlich sehr verständigen Menschen,
der viel Glauben und Gebetskraft hat, hatte ich fast nichts
mehr zu schaffen, und die an ihn herangekommenen satanischen
Angriffe sind anderen Leuten kaum bemerklich geworden
. Die Caihdrine hatte noch eine Zeit lang je und
*) Die Heiligenlegenden und Historien der katholischen Kirche
enthalten noch weit ärgere und raffinirtere angebliche Teufels-Versuchungen
und Peinigungen, weil diese frommen Btisser fasst sämmt-
lich gegen die eigene Natur und ihr Nervensystem wütheten, so dass
das aufs ärgste gefolterte Gangliensystem sich in dieser krampfhaften
Weise Luft machen musste. — und wer weiss, was an unseren
sog. Medien Eltern und Voreltern durch Vererbung ihrer Schwächen
auf Kinder und Kindeskinder aus Unwissenheit gesündigt haben, dass
ihre Natur anders functionirt als die anderer normaler Personen?! —
Hier offenbarte sich selbstverständlich nur die vollendete theologische
Teufelsvorstellung des Pfarrers Blumhardt in dem dieselbe in Gedanken
ablesenden oder hellsehend erschauenden und mimisch nachahmenden
oder repräsentirenden Medium. — Der Sekr, d. Red
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