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je krampfartige Bewegungen in Folge der ausserordentlichen
Angegriffenheit des Gemüths, war aber auch bald wieder
hergestellt, und was mit ihr vorgefallen war, hat, möchte ich
sagen, fast Niemand erfahren. Etwas Mehreres stellte sich
noch in der Zeit bei der G. ein, waren aber mehr nur erneuerte
, jedoch von selbst misslingende Versuche der Finsternis
mit Früherem, die mich weiter nicht viel in Anspruch
nahmen. Ja, unter diesen Nachzüglern geschah es allmälig,
d:i ss sie zu einer vollkommenen Gesundheit gelangte. Alle
ihre früheren Gebrechen, die den Aerzten wohl bekannt
waren, wurden ganz aufgehoben: die hohe Seite, der kurze
Fuss, die Magenübel u. s. w. Dabei wurde ihre Gesundheit
immer fester und dauerhafter, und jetzt steht es seit
geraumer Zeit mit ihr so, dass sie in jeder Hinsicht, als
vollkommen hergestellt, als ein wahres Wunder Gottes angesehen
werden kann. Ihr christlicher Sinn hat auch auf
eine erfreuliche Weise zugenommen, und ihre stille Demuth,
ihre gediegenen und verständigen Reden, mit Entschiedenheit
und Bescheidenheit gepaart, machten sie zu einem gesegneten
Werkzeuge an vielen Herzen. Was den Werth
ihres Charakters am deutlichsten zu erkennen gibt, ist das,
dass mir keine weibliche Person bekannt ist, die mit so viel
Einsicht, Liebe, Geduld und Schonung Kinder zu behandeln
wüsste, wesswegen ich ihr, bei nöthig werdender Aushülfe,
am liebsten Kinder anvertraue ; und wie sie schon im ganzen
vorigen Jahre Industrielehrerin zu aller Zufriedenheit gewesen
war, wobei ich nur mit dankbarem Erstaunen auf
die bewahrende, göttlicüe Vorsehung zurückblicken kann,
in Folge deren sie in der sonst so schweren Zeit auch nicht
ein einziges Mal genöthigt war, den Unterricht einzustellen,
so konnte ich jetzt, da eine Kleinkinderschule errichtet
werden sollte, keine Person finden, die so geeignet wie sie
gewesen wäre, dieselbe zu übernehmen.
Möttlingen, den 11. August 1844.
gez. Pfarrer Blumhardt.
Nachschrift
Da nach der Abfassung obigen Aufsatzes nun schon
volle 6 Jahre verstrichen sind, so wird der Leser begierig
sein, zu hören, wie es jetzt mit der G. steht. Ich bemerke
einfach, dass dieselbe seit 4 Jahren ganz in mein Haus
eingekehrt ist, als die treueste und verständigste Stütze
meiner Frau in der Haushaltung und Kindererziehung, der
meine Frau alles ins Haushaltungswesen Einschlagende,
Kleines und Grosses, unbedingt anvertrauen und nach Umständen
ganz überlassen darf. Was sie in unserem Hause
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