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532 Psycüische Studien. IX. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1882.)
„Seele bloss von einem einzigen Gegenstande, nehmlich von
„der Gemeinschaft mit höheren Geistern, voll war, und ich
„daher alle andern Verheissungen Cagliostrds übersah." —
Wer nun z. ß. an die Schiefertafelschriften Slade's dieselbe
hohe Anforderung gestellt hätte, würde sich in den allermeisten
Fällen schwer getäuscht gefühlt haben. "Weder
Slade, Hansen, noch Cagliostro konnten mehr Auskunft geben,
als ihnen gerade zu geben verheben war.
„Jedenfalls war Cagliostro kein gewöhnlicher Mensch,"
gesteht Herr Brünier selbst zu, „und hätte, würde er seine
Begabung zum Heile der Welt verwandt haben, vielleicht
einen gepriesenen Namen zurückgelassen." Wenn uns doch
Herr Br. angegeben hätte, wie Cagliostro dies bei seiner
spezifischen Begabung als Magnetiseur und der Wundersucht
seinerzeit anders hätte ausführen sollen! „Ein Mann,
der den grössten deutschen Dichter (Goethe) anhaltend beschäftigte
, der von einer mächtigen Kaiserin {Katharina IL)
für so gefährlich angesehen ward, dass sie die Feder gegen
ihn ergriff und ihn in mehreren (3) Lustspielen verspottete,
der in die berüchtigte Halsbandgeschichte veiwickelt war
und die erste Stufe zimmerte zu dem Schaffote einer hochherzigen
Königin (Marie Äntoinette), ein solcher Mann fordert
Jeden . . . dazu auf, dass er sich anstrenge, um über theil-
weise erstaunliche Erfolge, die jedenfalls nicht (?) mit ehrlichen
Waffen erstritten wurden, ins Klare zu kommen und
sich die Frage vorzulegen, ob Aehnliches noch heutzutage
sich ereignen könnte." — Nun, die „Wissenschaftlichen Abhandlangen
" des verstorbenen Prof. Zöllner legen wenigstens
ein glänzendes Zeugnis« ab für die ehrlich erstrittenen
erstaunlichen Erfolge eines Slade und Hansen, welche vor
den grössten Gelehrten, vor Königen und Kaisern unserer
Tage experimentirt haben. Es muss also doch wohl Etwas
hinter ihren Prätensionen stecken, ohne gerade immer
Schwindel, Betrug und Gaunerei zu sein, wie letzteres
Herr Friedr. Christian Benedict Ave-Lallemant, Doctor beider
Rechte und grossherzoglich sachsen-weimarischer Hofrath,
in seinem Buche: „Der Magnetismus mit seinen mystischen
Verirrungen" (Leipzig, l881) mit polizeilichem Hyperscharf-
sinn stets vermuthet.
Warum Cagliostro gerade Goethe so anhaltend beschäftigte
, dürfte im Hinblick auf dessen „Faust" nicht so unerklärlich
sein. Weshalb die Kaiserin Katharina den magnetischen
Hellseher fürchtete und von ihrem Hofe fern hielt,
lässt sich leicht vermuthen. Dass aber Cagliostro in der
berüchtigten Halsbandgeschichte die erste Stufe zu dem
Schaffote der Königin gezimmert hätte, ist eine total über-
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