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534 Psyobtoche Studien.^ IX, Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1882.)
Sachen wirklicher magnetischer Geistererscheinungen. Ohne
diese gründlich studirt zu haben, wage Er doch mit Anderen
sich nie wieder an die biographische Characterlösung eines
Magnetiseurs oder mit geheimnissvollen Kräften begabten
Mediums! Die sinnliche Realität solcher Erscheinungen ist
eine so frappirende, dass schon grössere Geister als er
ihrem bannenden Zauber gläubig erlegen sind. Auch dem
Verstände des Cardinais Rohan thut er offenbar Unrecht.
Ein so leichtlebiger und aufgeklärter Kirchenfürst würde
kurz vor der französischen Revolution, zur Zeit Voltaires
und der grossen Enzyklopädisten, ohne hinreichende that-
sächliche Beweise sicher nicht an so plump arrangirte
Geistererscheinungen geglaubt haben. Da müssten uns vorerst
die genauesten Details vorliegen, um ein solches TJr-
theü zu fällen*
Cagliostro befand sich 1779 bei Elisa von der Recke in
Mitau, 1780 in Petersburg, von wo er ausgewiesen wurde,
ging von da nach Strassbarg, wo ihm die besten Zeugnisse
„als eines Wohlthäters der Menschheit, der sie von den
schwersten Gebresten zu heileD vermöge", ausgestellt wurden,
und zuletzt nach Paris, woselbst erst nach seiner Rückkehr
von einem glänzenden Abstecher nach London zu den dortigen
Anhängern Swedenborgs, 1785 und 1786 die berüchtigte
Halsbandgeschichte spielt. Erst 1787 giebt Elisa von
der Recke ihre „Nachricht von des 'berüchtigten' Cagliostro
Aufenthalte in Mitau etc." zu Berlin heraus. Es war
jetzt leicht geworden, dem schon Berüchtigten und halb
Verfebmten, der aus Frankreich trotz seiner Freisprechung
ausgewiesen worden war, und sich inzwischen nach London,
der Schweiz, Italien und 1789 wieder nach Rom begeben
hatte, noch einen Stein der Verläumdung nachzuwerfen.
„In Deutschland hielt man ihn allgemein für einen Jesuiten-
„priester, der die geheime Aufgabe hätte, die Gemüther
„durch Aberglauben und Schwärmerei zu verwirren." So
berichtet sein Biograph im Brockhaus1'sehen Conversations-
lexikon; und trotzdem es dort weiter heisst, dass er auf
Befehl des Papstes als Freimaurer mit seiner Frau Lorenza
Feliciana gefänglich eingezogen, zum Tode des Scheiterhaufens
verurtheilt, aber zu lebenslänglicher Haft begnadigt wurde,
dass er 1795 auf Fort San-Leon starb *), während seine
Frau in einem Kloster verscholl, glaubt man in gewissen
Kreisen vielleicht noch heute an das Jesuitenmärchen, oder
wärmt es wenigstens wieder auf.
*) Nach einer späteren Bemerkung Ludwig XVIII. soll er im
Sommer 1795 eines gewaltsamen Todes gestorben sein. Er war den
2. Juni 1743 zu Palermo geboren.
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