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548 Psychische Studien. IX. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1882.)
sichtlich gespendeten Segnungen, noch heute dieselbe per-
sonifieirte Gottheit oder Geistigkeit wie einst?
Ganz in demselben Falle dürfte Herr N. sich bald mit
seinem derzeitigen felsenfesten Glauben an das Kommen und
und Gehen von Geistern befinden, welcher Glaube allen
Denen ganz naturgemäss zuerst als triftigste Sinnenfälligkeit
einleuchtet, die wenigstens die sinnlich wahrnehmbaren That-
sachen des Mediumismus ehrlich mit beobachten und
nicht etwa von vornherein blind leugnen. Sie sehen aber nur
Erscheinungen im psychischen Spiegel des Mediumismus,
und zwar nur ihre eigenen Vorstellungen und Erinnerungen
abgeschiedener Geister, welche mit Hülfe- der Gabe
des Hellsehens und Gedankenlesens von Seiten des
Mediums den Schein einer gewissen Identität gewinnen.
Die grosse Mehrheit der amerikanischen, englischen und
romanischen, wie nun auch deutschen Spiritualisten und
Spiritisten hat sich von vornherein durch die ihnen bisher unerklärlichen
psychischen Wirkungen solcher Medien sofort
zur Geistertheorie hinüberziehen lassen, weil Geister
vermeintlich Alles erklären, während die psychische
Krafttheorie vorläufig nur Einiges (?) erkläre. Wie
will aber Herr Th. N. die Hauptthatsache leugnen, dass
die mediumistischen Wirkungen sämmtlich nur von und aus
mehr oder weniger somnambulen Medien entspringen
und diesen gerade nur in diesem Zustande eine Kraft
eignet, welche sonst bei ihnen nicht wirksam zu sein pflegt?
Was ist von vornherein den wahren Männern der
Wissenschaft und der täglichen normalen Erfahrung damit
gedient, gewisse anorm&le wunderbare Wirkungen, wie z. B.
die mit dem Mülsener Medium u. A. geschilderten, sogleich
unbekannten Ge ist er n zuzuschreiben? Wenn dieses
ein allgemein gültiges Gesetz wäre, so müssten wir auch
die uns noch immer veiborgenen und unerklärlichen Kräfte
des Lichtes und Schalles, die der Gravitation, Elektrizität, des
Magnetismus, der so räth seihaften chemischen und organischen
Wahlverwandschaften jedesmal einem dahinter steckenden jenseitigen
Geiste zuschreiben, wie es die Phantasie des Volksmärchens
so glücklich $;u Stande gebracht hat. Ja, selbst
Bacon soll noch die Fortpflanzung des Schalles in der Luft
einer gewissen geistigen Art von Bewegung zugeschrieben
haben. Die exacte sinnliche Erfahrung und Beobachtung
hält sich zunächst an die erste, sinnlich fassbare Quelle der
Erscheinung, hier an das Medium, und sucht durch eingehende
Erforschung seiner physischen und psychischen
Eigenschaften unter ailen möglichen variirbaren Bedingungen
hinter das eigentliche Geheimniss zu kommen.
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