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550 Psychische Studien. IX. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1882.)
flächlichen Blicke scheint das so: — dem tiefer eindringenden
enthüllen sich ganz andere Wunder des psychischen
Lebens, und diese sind allein zu erforschen! (Vgl. Davis
„Der Arzt". Leipzig, 0. Mutze, 1873.)
• Wohin übrigens ein solch unbegrenzter Geister glaube
führt und bereits geführt hat, das lehrt z. B. die Einleitung
des Artikels: „Der Prozess des Juden Lippold". Ein
Culturbild aus dem 16. Jahrh. von Johannes Westien, (s.
„Das Neue Blatt" Nr. 48, 1882, S. 757 ff.), welche also
beginnt: — „Unter der Regierung des Kurfürsten Joachim
von Brandenburg (1535—1571) wimmelte es in der Mark
von Zauberern und Hexen. Ueberall witterte man den
Fürsten der Hölle mit Kuhschweif und Pferdehuf, in jeder
ungewöhnlichen oder auch nur unerwünschten Begebenheit
sollte Meister Urian seine schmutzige Hand mit im Spiele
haben. Hagelschaden und Misswachs, Theuerung und
Hungersnoth, Kriege und Verbrechen, ansteckende Krankheiten
und Siechthum, rasch auf einander folgende Todesfälle
in den Familien der Landesherren und Kinderlosigkeit
, dies und noch vieles Andere suchte man nicht auf
eine natürliche Weise zu erklären, sondern schrieb alles
Leid und Elend im Menschenleben dem Satan und dessen
Werkzeugen, den Hexen, zu. Um dies zu verstehen, muss
man sich vergegenwärtigen, dass die Naturwissenschaften
im 16. Jahrh. ihre ersten Kinderschuhe noch nicht ausgetreten
hatten, und dass selbst die vorurtheilsfreiesten Geister
jener Zeit an der Existenz eines leiblichen Teufels ebensowenig
wie an dem Dasein der Gespenster und Kobolde
zweifelten. Dazu kam noch das viele Predigen über den
baldigen Untergang der Welt, über das Herannahen des
jüngsten Gerichts*) und die Qualen der ewigen und zeitlichen
Yerdammniss. Allerdings lässt sich nicht verkennen, dass
die Theologen in dieser Beziehung von den besten Absichten
geleitet wurden, sie wollten die Menschheit bessern und eine
Hebung der tief im Argen liegenden sittlichen Zustände herbeiführen
; aber sie sahen nur mit den Augen des Glaubens,
sie schenkten der Stimme der Vernunft kein Gehör und
verfehlten in ihrem Bekehrungseifer den richtigen Weg.
Etc."--
*) Wer übrigens eine köstliche Satire über diesen noch heute
herrschenden Glauben vom herannahenden Ende des tausendjährigen
Reiches, besonders bei der amerikanischen Secte der „Milleriten", kennen
lernen will, verabsäume es nicht, die spannende Novelle: „Der
jüngste Tag." Von Eduard Eggleston in „Die Grenzbotenvorzüglich
die No. 33 vom 10. August 1882, nachzulesen. Gewisse spiritistische
und spiritische Kreise könnten daraus unendlich viel auch über
ihre eigene Art von Beweisführung lernen. —* Gr* C. W,
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