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552 Psychische Studien. IX. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1882.)
in Dar wir?* Buch über den Menschen*) — unzutreffend ist
Denn es ist der menschlichen Empfindung eigen-
thümlich, dass sie frühe und ganz instinctiv (ä priori)
durchzogen ist mit den Kategorien, also mit der Auffassung
der Erscheinungen als Dingen mit Eigenschaften, Thätig-
keiten etc. Es ist das gerade das Element, woran sich die
wissenschaftlichen Bestrebungen des Menschen
anschliessen. Der Verf. {Vignoli) freilich fasst Wissenschaft
ganz positivistisch; sie geht auf die Aehnlich-
keiten, Analogien der Erscheinungen, bildet daraus, nachdem
das Stadium der Personificirung überwunden
ist, Idealtypen, welche sie entificirt {Comtess
zweites oder metaphysisches Stadium), bis sie zum B e-
griff blosser Gesetze oder rationaler Begriffe
durchdringt.
„Allein das ist eben der Streitpunkt, welchen
der Verf. zwar schon gewissermaassen als abgemacht ansieht
, der es aber durchaus nicht ist. Noch heute wie in
den Tagen Kants lässt sich nachweisen, dass die Wissenschaft
gerade durch die 1 ogisch-metaphysischen
Kategorien und ihre Anwendung auf die
Erscheinungen gross geworden ist. Dem Verf. sind
freilich Hypothesen wie der A e t h e r [Man verabsäume
hierbei nicht, Prof. Josef Schlesingers: — »Die
Entstehung der physischen und geistigen
Welt aus dem Aether" (Wien, Alfred Holder, 1882)
zu studiren! — Kef/j nichts als ein grosser Mythus;
aber dann muss er auch alle objectiv begründeten
Hypothesen, d. h. alle Annahmen über die unmittelbare
Erfahrung hinaus, zu deren aber die Erfahrung unser
Denken mit seinen logisch-metaphysischen Formalbegriffen
hinleitet, Mythen nennen, und dann sind die durchgängige
Gesetzmässigkeit der Natur und die meisten Einzelgesetze,
wie wir sie aufstellen, auch Mythus.
„Was Verf. als das Ganze der Wissenschaft
ansetzt, dass sie im Auffinden von Aehnlichkeiten, Verschiedenheiten
, Identitäten, Typen, Gesetzen bestehe, ist
nur ein Element derselben. Man kann dies
Moment haben und der Wissenschaft noch
*) Eine vortreffliche bildliche Ironisirung der Darwinschen Ent-
wiekelungs-Lehre enthält „üeber Land und Meer" Nr. 45, 1882 S. 909
in einer Skizze von Feder Wagner \ „Die EntWickelung des gerupften
Huhns nach Damin" in 5 Verwandlungen darstellend. Aus obiger
Darlegung dürfte sich auoh ergeben, dass Hunde, Pferde und andere
Thiere sich durchaus keine Geistervorstellungen in unserem menschlichen
Sinne zu bilden vermögen, sondern nur in eine instinetive Miterregung
mit unserer eigenen Psyche gerathen können. Gr* C. W*
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