http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1882/0563
Wittig: Ein zweites sächsisches Test-Medium. 555
welches bloss mediumistische Mitteilungen von angeblichen
G-eistern ohne alle und jede weitere Kritik brächte!
Dann hätten die Gläubigen sich ihren Medien auf Gnade
und Ungnade blindlings zu ergeben, weil dieselben Geisterorgane
sind, welche hoch über allem menschlichen Wissen
und Können ständen. Ein schöner quietistischer Standpunkt
voll innerer Seligkeit und Selbstbefriedigung! Wir
wünschen Herrn Th. N. Glück, diesen Zustand des Geister-
keit ein, dass die eigene Psyche des Mediums in die Erscheinungswelt
treten und uns allerhand mehr oder weniger substantiell
erscheinende Bilder vorzaubern kann." —
Kann das Herr Theodor Niedermeyer noch geschrieben haben? Nein!
Es ist rein unmöglich. Aber Herr Dr. Cyriax, der das offenbar geschrieben
hat, musste doch nun nach seiner Erklärung vom 1. April
1882 „seine Feder niederlegen und keine Silbe mehr schreiben", weil
ja hier offenbar Jahrzehute lang von ihm selbst für spirituell gehaltene
Phänomene „nichts Geistiges mehr, sondern nur noch Seelisches enthalten
". Herr Dr. Cyriax schreibt aber ruhig mit seiner Feder weiter!
Vielleicht schreibt bei seinen merkwürdigen Trance-Zuständen das eine
Mal Er selbst, wo er zur Erkenntniss unserer psychischen Krafttheorie
mit nüchternen Sinnen gekommen ist, und im nächsten Augenblicke
drängt ihn ein fremder Geist in das 'corpus callosum' seines Gehirns
zurück und schreibt als Geist Theodor Niedermeyer, so dass Herr Dr.
Cyriax für diese Zweideutigkeiten an sich nicht allein verantwortlich
zu machen wäre.
Nur als öffentlicher Redacteur hat er eine höhere Pflicht, die,
seinen Lesern genau zu zeigen, was Er und was seine Geister in jedem
gegebenen Falle sagen, sonst nennt man das einen confusen Wirrwarr
der Ansichten und eine fortlaufende Mystifikation. Ein Redacteur hat
auch seine Geister im Zaum zu halten, damit sie Andere nicht ungerecht
verleumden. Von einem anonymen oder Pseudonymen Angriffe
eines Geistes oder Redacteurs gelten aber auch die Worte Prof. Zöllners
in „Naturwiss. u. christl. Offenb." S. 216 Note, gegen Pastor Kr. in
Hamburg: „Falls Herr Pastor Kr. etwa selber der Anonymus sein
sollte, worüber ihm ja eine öffentliche Erklärung gestattet ist, so würde
er hierdurch einen weiteren Beweis liefern, dass er vermöge der Abstumpfung
seiner sittlichen Empfindungen nicht einmal mehr im Stande
ist, zu bemerken, dass er sich mit dem 'Makel der Unsittlichkeit' beflecke
, wenn er einen so provocirenden Angriff gegen mich und meine
Freunde anonym erscheinen lässt. Eine Redaction aber, welche solche
anonyme Artikel unbeanstandet zum Abdruck bringt, trägt die Mitschuld
an diesem Makel der Unsittlichkeit." — Ist Herrn Niedermeyer's
Angiiff im „Sprechsaal" des Herrn Cyriax etwa weniger provocirend
und die Tendenzen der von ihm Angriffenen verdächtigend? Er hätte
sich aber nicht bloss Niedermeyer nennen, sondern ein Obermeyer seines
spiritualistischen Lehrfachs sein und sich consequent weiter kundgeben,
und die Redaction, die zuerst seine Ansichten vertrat, ohne sie im
Geringsten einzuschränken, hätte ohne obige Selbstwidersprüche sein
müssen, um uns über seine wahre Geistigkeit und seine eigentlichen
Hintergedanken zu täuschen. Es ist dies der zweite Fall der „Entlarvung
einer Mystifikation ans dem Jenseits" (s. den ersten im März-
Heft der „Psych. Stud." 1879), den wir hiermit unseren Lesern zur
eigenen weiteren Beurtheilung und Räthselauflösung unterbreiten. —
Gr. C. W.
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