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74 Psychische Studien. X. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1883.)
„stecktenSinn durch eine Vergleichung mit allerlei Fällen
„der Anwendung, die mit ihm einstimmig sind, oder ihm
„widerstreiten, aus seiner Dunkelheit hervorzieht." —
In diesem Falle eines erschlichenen Begriffes hefanden
sich unseres Erachtens von vornherein die amerikanischen
Spiritualisten, als sie die Klopflaute der Fox-Medien sogleich
auf die Wirkung des Geistes eines Ermordeten bezogen
.*) Diese ganz unerwiesene Annahme (s. Note S. 222
des Mai-Heftes der „Psych. Studien" 1882) hat sich auf
alle weiteren ähnlichen Erfahrungsbegriffe mediumistischer
Erscheinungen übergepflanzt,**) und der exacte "Weg scharfer
*) Der Fall erscheint ähnlich, wie wenn Schiffer auf hoher See
irgend ein merkwürdiges, noch nie gesehenes Thier ohne alle nähere
Prüfung und Habhaftwerdung desselben sofort als den Kraken oder
die Seeschlange bezeichnen wollten. Beide Begriffe sind derartig
erschlichene, dem Eeiche der Phantasie oder der Einbildung entsprungene
und auf eine Sinneserscheinung übertragene.
**) Als neuestes ähnliches Beispiel berichtet (L. Tagebl. Nr. 270
v. 27|9 er ) das„Meeraner Wochenblatt" in Sachsen: — „Am 22. Febr. 1882
entfernte sich heimlich aus dem Hause ihrer in Seiferitz wohnenden
Eltern die 1870 geburene Clara Marie Fuchs, und Niemand wusste,
wo das Mädchen geblieben war. Der geängstigte Vater begab sich
sogleich auf die Suche, doch gelang es ihm nicht, auch nur eine Spur
des Kindes ausfindig zu machen. Während der letzt verflossenen
Pfingstfeiertage hielt sich Herr Fuchs, der Vater der Verschollenen,
noch immer nach derselben spähend, besuchsweise in Greiz auf.
Seine Abwesenheit hatte den Combinatiensgeist „lieber Mitmenschen"
rege gemacht, und so hatte sich das üble Gerücht verbreitet, Herr
Fuchs habe seine Tochter umgebracht und sich in Folge dessen nach
Amerika geflüchtet.
Inzwischen trachteten „theilnehmende" Frauen der Sache auf
den Grund zu kommen, indem sie sich des lächerlichen Mysteriums
des Tischrückens bedienten. Das vierbeinige hölzerne Familienorakel
wusste nun über das schaurige Drama ganz genauen Aufschluss zu
geben. Herr luchs sollte das Kind ermordet haben; die Leiche
desselben läge hinter einem Gute unter einem Hollunderbaume, 16 Schritt
vom Gebäude entfernt. Volle 6% Monate waren seit dem rätselhaften
Verschwinden der Clara Marie Fuchs verflossen, als bei dem
Vater derselben von dessen in Langenbernsdorf wohnenden Schwiegereltern
die Nachricht einlief, dass die Vermisste sich am 7. Septbr. er.
bei ihnen dortselbst urplötzlich eingefunden habe. Der unter dem
Drucke der bittersten Verleumdung gebeugte Vater athmete, durch
diese Botschaft freudig erregt, wieder auf und eilte, sein verloren geglaubtes
Kind in Empfang zu nehmen. Es stellte sich nun heraus,
wie es dem abenteuerlichen jugendlichen Wesen möglich geworden
war, so lange unentdeckt von ihren bekümmerten Eltern fern zu bleiben.
In Crimmitschau, wo die Entlaufene am Tage nach ihrer Entfernung
angebalten worden war, hatte sie angegeben, aus Crimmitschau zu
sein und Clara Marie Köhler zu heissen. Sie erlangte auf diese Weise
ein Dienstbuch (ohne jede Legitimation?) und vermiethete sich in
Langenreinsdorf bei Bauersleuten; dort hat sie bis mehrere Tage vor
ihrem Erscheinen bei der grosselterlichen Familie zu Langenbernsdorf
als Kleinmädchen gedient, den Dienst aber heimlich verlassen und
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