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Psychische Studien.
Monatliche Zeitschrift,
vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene
des Seelenlebens gewidmet.
Monat März 1883.
I. Abtheilung.
Historisches und Experimentelles.
Gedankenlesen.*)
Von W. F. Barrett,
Professor der Physik in Dublin und Mitgl. der Royal Society von
Edinburgh.
Die letztvergangenen Jahre habe ich mich fleissig mit
Sammlung von Zeugnissen über die Frage des sogenannten
„Gedankenlesens" beschäftigt; d. h. ob ein Geist einen anderen
Geist ohne die Vermittelung der Sinne beeinflussen
könne, oder nicht? Ich hatte schon manche mesmerische
Experimente gesehen und selbst wiederholt, welche nicht
nur die Thatsache einer übersinnlichen Wahrnehmungsfähigkeit
, sondern auch die einer Gedankenübertragung vom Mes-
meriseur auf sein Subject zu erweisen schienen. Dieses ist
selbstverständlich nichts Neues für Diejenigen, welche den
hypnotischen Zustand stutlirt haben, aber es wird weder
von den Physiologen, noch von den Psychologen als eine
"Wahrheit zugegeben. Ferner waren Viele, welche das sog.
„Wollensspiel" gut ausführten, unzweifelhaft mehr vom
Willen der Anwesenden, als von der Muskelthätigkeit be-
einflusst. Daher leitete mich eine aufmerksame Beobachtung
dieser Experimente zum Zweifel an der Genauigkeit der
Erscheinungs-Erklärung, welche Dr. Carpenier uns so nahe
gelegt hatte, nämlich unbewusste Muskelthätigkeit auf der
einen und unbewusste Muskelbeobachtung auf der anderen
Seite. Nachdem man bei einigen Personen die extravagan-
*) Entnommen aus „The Psychological Review1', einer in London
(bei Edward W\ Allen, 4 Ave Maria Lane, E. C.) erscheinenden Monatsschrift
voll des gediegensten Inhalts, October-Heft 1881, Vol. III. —
Die Eed.
Psychische Studien. März 1883. 8
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