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130 Psychische Studien. X. Jahrg. 3. Heft. (März 1883.)
wird sie doch darum ebenso wenig leugnen können, als wie
sie die Existenz eines Traumes deshalb zu leugnen vermag,
weil sie an seinen Inhalt als an keinen wirklichen glaubt.
Das ist scharf zu unterscheiden. Die Magie Cagliostrtfs
existirt ebenso bestimmt wie die des modernen Mediumismus.
"Wenn wir aber unsere selbsteigenen überspannten Voraussetzungen
, Wünsche und Hoffnungen an beide knüpfen und
uns dann getäuscht finden, an wem liegt die Schuld — an
uns oder an der Sache selbst? Ich glaube> an unseren
eigenen Vorurtheilen. Wir sind nur berufen, die Sache
selbst wissenschaftlich, d. h. gründlich zu prüfen und zu
erforschen, und uns kein Vor-, sondern ein durch die That-
sachen begründetes Nach-Urtheil von derselben zu bilden.
Dann werden wir finden, dass die Magie und der Mediumismus
einen phantastischen Schein und ein hinter diesem
verborgenes natürliches Sein haben. Beide sind in ihren
tiefsten Wurzeln zu ergründen und klarzulegen, das allein
ist Sache der Wissenschaft und Philosophie. Blosses
blindes Glauben und blosses blindes Ableugnen thun's
nicht mehr. Insofern sind obige Mahnungen wirklich beherzigen
swerth.
So haben Elisa und ihr Biograph in Bezug auf den
phantastischen Schein, den Cagliotsrds Wirken um sich verbreitete
, nicht Unrecht; aber sie haben auch nicht das
Recht, den Mann um seines ebenso guten Glaubens an
die Wahrheit und selbst an den Schein seiner Thatsachen
zum absichtlichen schlauen Betrüger zu stempeln. Gewiss
hatte Cagliostro eine sogenannte magische oder mediu-
mistische Kraftbegabung. Er leistete Dinge, welche selbst
vom Standpunkte unserer heutigen Wissenschaft noch unerklärlich
sind. Auf diese allein hat letztere ihr eigentliches
Augenmark zu richten, wie es ein Hare, Wallace, Cox,
Crookes, Butlerow und Zollner gethan haben, welche unter
den Naturforschern der Gegenwart um ihrer hochverdienten
Leistungen willen doch wohl Glaubwürdigkeit und Beachtung
verdienen. Sie haben sich mit den merkwürdigen
Phänomenen des Spiritismus beschäftigt, und ein Wallace
hat ihnen sogar grossen Einfluss auf Moral und Religion
zuerkannt. Was sollte ein Cagliostro zu seiner Zeit thun,
der noch weniger Einblick in die Tiefen der Natur und
des Geistes hatte? Als Lavater, der für ihn enthusiasmirt
war, Cagliostro 1780 in Strassburg besuchte und ihn befragte
, woher seine Kenntnisse stammten, wie sie erlangt
worden, und worin sie beständen, soll er ihm die (jedenfalls
mediumistische) schriftliche Antwort ertheilt haben: „In
verbis, in herbis, in lapidibus", d. h. sie bestehen „in Worten,
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