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Wittig: Cagliostro.
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in Kräutern, in Steinen", was wir dahin umdeuten würden:
sie beruhen auf dem Leben der Seele oder des Geistes,
aus dem die "Worte stammen, und auf dem Leben der
ganzen übrigen Natur, welche sich in Kräutern und Steinen,
im Pflanzen- und Mineralreich kundgiebt. Und diese Antwort
hat man „sinnlos" genannt. Nein, nur seine Gegner
waren und blieben unverständig für das eigentliche Wesen
der Sache.
Dass Cagliostro das weibliche Geschlecht seiner Zeit für
überaus schwach und jämmerlich hielt und deshalb behauptete
, er habe noch niemals an ein Frauenzimmer geschrieben
, mag vielleicht seinen Grund in der übertriebenen
Vergötterung seiner Person durch Frauen haben, welche
durch ihn in den Besitz des Verjüngungs- und Schönheits-
Elixirs zu gelangen hofften. Es war daher pure Eitelkeit
und Eigensucht, die sie meist an seine Person fesselte. In
Paris trugen Damen und Herren sogar Fächer, Ringe,
Souvenirs, Hüte, Knöpfe, Westen u. s. w. h la Cagliostro!
Es herrschte ein psychisches Cagliostro - Fieber. Deshalb
musste seinem Scharfblick und seiner Seelenkenntniss ein
mehr selbstbewusster und denkender Oharacter wie der
Elisa's imponiren. An sie schreibt er jedenfalls von Petersburg
aus: „Cara Figlia e Sorella!" — „Theure Tochter und
Schwester!" — und unterschreibt sich: „Vestro pro sempre
che vi ama di quore," — »Der Eure für immer, der Euch
von Herzen liebt." — Brünier sucht ihm daraus als dem
doch „verheiratheten" Italiener eine für seine vorgegebene
Verachtung der Frauen „ungewöhnliche Herzlichkeit" zu
imputiren. Schlimmeres hat er ihm wenigstens hier nicht
anzudichten gewagt» Er sagt nur: „Elisa wünschte nun
keineswegs, dass er für immer der Ihrige sei, noch dass er
sie von Herzen liebe." Man merkt hieraus die wahre Absicht
weder Elisa?s noch Cagliostro's, sondern nur die des
allzueifrigen Biographen. Besser, er hätte auch hierüber
Elisa's eigene Worte citirt. Cagliostro konnte unmöglich eine
andere Verbindung mit ihr im Sinne haben, als eine rein
geistige. Er, der durch ihre, resp. der Ihrigen Vermittelung
in die höchsten russischen Hofkreise zu gelangen wünschte,
um auch dort seiner vermeintlich hohen Mission zu leben,
eine magische Loge d'Adoption zu stiften, dürfte sich
schwerlich dem Gedanken einer unfruchtbaren Liebelei hingegeben
haben. Dazu war er sicher als Italiener zu klug
oder schlau und weltgewandt, um Herrn Brünier's stete
Beweisführung gegen ihn auch einmal für ihn anzuwenden.
Beide waren verheirathet, Elisa von ihrem Gatten seit 1776
getrennt und bei ihrem Vater, dem Reichsgrafen Friedrich
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