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Wittig: Cagliostro.
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1782 in Petersburg in Scene ging und den Aberglauben,
die Herzensrohheit und den thierischen Egoismus seiner
Zeitgenossen, den knechtischen Adel und die Sittenlosigkeit
des Hofes geisselte, schrieb, um dadurch dessen plötzlichen
übermächtigen Einfluss zu übertrumpfen? So hätte die
Sache mit der wirklichen Person Cagliostro's, den die Kaiserin
ja gar nicht von Angesicht und Umgang kannte, nichts zu
thun, sondern nur mit seinen von ihrer nach Aufklärung
ä tout prix haschenden Zeit ebenso blind angezweifelten
wie geglaubten mystischen Ansprüchen. Und worauf redu-
ciren sich in Wirklichkeit diese scheinbar ungerechtfertigten
Ansprüche? Auf seine Allerweltsverbindungen, die ihn
einfach überall mit genügenden Geldmitteln unterstützten,
und auf seine (oder seiner Frau) mediumistisch-magnetische
Begabung des Hellsehens und somnambulen ßewirkens
psychischer Schreib- und Spruch - Orakel und sogenannter
physikalischer Phänomene, welche erst die Neuzeit als unerklärliche
Thatsachen wirklichen Geschehens zu erkennen
beginnt und durch verschiedene Hypothesen zu erklären
sucht, von denen selbst bis heute noch die Geisterhypothese
die wichtigste, wenn auch nicht wissenschaftlichste Rolle
spielt.
Haben wir nicht diesen selben Fall mit Stade und
Hansen erlebt? Wie verschiedene Urtheile sind über diese
beiden Personen gefällt worden, so dass selbst eines Zöllners
Ruf, Wissen und Beredtsamkeit für ihre verleumdete
Ehre noch nicht bei seinen Zeitgenossen durchgedrungen
sind. U?*d doch waren und sind diese Männer in Wirklichkeit
ganz andere, als die sie die Zeitungspresse und die
Schriften ihrer Gegner hingestellt haben. Hätte Se. Majestät
König Albert von Sachsen den Magnetiseur Bansen nicht
selbst in Dresden manipuliren sehen, aus den Berichterstattungen
der Freunde wie Gegner Hansen's wäre er sicher
nicht klug geworden. Aber Er hat mit Zöllner gefunden,
dass bei Hansen eine wirklich unerklärliche Kraft waltet.
Und das hätte auch die Kaiserin Katharina selbst ausfindig
machen sollen. Waram sie es nicht gethan, darüber fehlen
uns die sie leitenden Motive, wenn dieselben nicht noch
dereinst aus ihrem Briefwechsel zu ermitteln sein sollten.
Nur mit ihrer Erlaubniss konnte ja Cagliostro überhaupt
nach Mitau und Petersburg selbst gelangen
. Das hat Herr Brünier total übersehen! Es müssen
deshalb von Mitau aus an die Kaiserin durchaus den vermeintlichen
Abenteurer zuvor verdächtigende Berichte abgegangen
sein.
Und nun wird uns vielleicht erst voll verständlich, was
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