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138 Psychische Studien. X. Jahrg. 3. Heft. (März 188.1)
auf Grund der Erfahrung in Betreff des menschlielien
Geistes und der Geisterwelt inducire und traducire.*) Er
ist ein k r i t i s c h e r , insofern ich nur das über den menschlichen
Geist und die Geisterwelt glaube und vermuthe, was
einer gesunden und vorsichtigen Kritik standhält; auf
blosse Ueberlieferungen hin glaube und vermuthe ich
nichts. Nur solche Ueberlieferungen , welche unserer Erfahrung
entsprechend und vor unserer Kritik stichhaltig
sind, können in Betracht gezogen werden und als Grundlage
unseres Glaubens und Vermuthens dienen.
Da ich nun an einen von dem menschlichen Körper
verschiedenen menschlichen Geist glaube, so wird man
fragen, wie ich mir beide gegen einander lokalisirt
denke. Wirkt der Körper auf den Geist und der Geist
auf den Körper aus der Ferne oder durch unmittelbare
Gegenwart? Wenn der Körper nicht da ist, wo der Geist
ist, wäre immerhin eine Fernwirkung anzunehmen, möge
auch der Geist den Molekeln des Körpers ganz nahe
sein. Man nimmt ja allgemein an, dass die Atome des
Körpers sich niemals berühren. Schon das Schmerzgefühl
allein sagt uns, wie wir uns den Geist gegen den E'orper
lokalisirt zu denken haben. Wenn ich im Beine; in der
Hand Schmerz empfinde, muss ich doch dort sein, wo ich
Schmerz empfinde; ich kann doch nicht Schmerz empfinden
dort, wo ich nicht bin; das wäre ja gegen das Gesetz
der Identität. Der Baum ausser mir ist plastische Reflexion,
ist plastisch gedacht. Wenn der Anblick des Baumes mich
schmerzt, so empfinde ich den Schmerz im Auge oder im
Gehirn, dort, wo das Bild des Baumes oder der Gedanke
von ihm in mir ist.
Der Schmerz ist eine Affektion, ein Accidenz des Ich,
das ist des Geistes. Wo aber die Substanz ist, da ist
auch ihr Accidenz, und umgekehrt, wo das Accidenz ist,
da ist auch die Substanz. Man kann doch das Accidenz
von der Substanz nicht trennen, da ja das Accidenz nichts
von der Substanz Verschiedenes ist, da ja das Accidenz
die Substanz selbst in ihren Verhältnissen in sich selbst ist.
insofern wir lediglich diese Verhältnisse ins Auge fassen.
Die Substanz für sich ist rein intellektuell, das ist hier
gleich abstrakt; das Accidenz für sich ist rein intellektuell,
hier gleich abstrakt; real ist allein die Vereinigung von
*) Die Traduction ist eine über die Erscheinungswelt hinausgehende
Induction. Die Induction ist phänomenologisch, die
Traduction metaphysisch. Siehe meinen „Pisticismus und Sub-
»tanzialismns" (Cöthen 1880, Paul Schettler, 2 Mk.) 3 d, S. 33.
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