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Cox: Die Theorie und die Thatsachen der psychischen Kraft. 175
Gewiss würde ein solcher Einwand niemals von einer
Person erhoben werden, welche den Experimenten jemals
selbst beigewohnt hätte.
Es ist ein eigenthümlicher Zug in dieser Oontroverse,
dass keiner unserer Opponenten die Phänomene, die sie
leugnen, selbst beobachtet hat. Sie bemühen sich, eine
Thatsache durch ein Argument zu beantworten. Aber
es wurde gewünscht, keinen Einwurf unbeantwortet zu lassen,
wie thöricht und leichtfertig er auch sein mag; und deshalb
wurde nach einer Art mechanischer Kreuzprobe gesucht
, durch welche die Anwesenheit und Stärke der Kraft,
ob sie real und nicht ideal sei, fest dargestellt würde
durch Metall und Holz, welche keiner Selbsttäuschung
unterworfen sein konnten und die Resultate wahrhaft, ohne
Vorurtheil, Gunst und Neigung registriren würden.*) Dem-
Alle Experimente in der Electrizität, Chemie, Physik und in allen
übrigen Wissenschaften liefern in erster Linie doch blosse Erscheinungen
, welche stets die Sinne — nicht in Hinsicht ihres wirklich
vorgehenden sinnenfälligen Prozesses — wohl aber in Hinsicht auf die
erste Erklärung der richtigen Ursache täuschen. In diesem Punkte
der Erklärung des wahren causalen Zusammenhanges einer neuen Erscheinung
sind zuerst alle Wissenschafter mehr oder weniger getäuscht.
Auch die bessere Erklärung z. B. des Ropemieus gegen die frühere
Ptolomäische, dass nunmehr die Sonne still stehe, und nicht die Erde,
war abermals eine Täuschung, da die Sonne sammt ihren Planeten
sich ebenfalls um ein anderes Centrum fortbewegt, das seiner Seits
wieder bewegt sein kann. U. s. f. Die Opposition richtet sich im
Grunde genommen nicht so sehr gegen den thatsächlichen Sinnenschein,
als vielmehr gegen dessen falsche Ausdeutung. Im Falle sogenannter
physikalischer Phänomene, wie die oben geschilderten, sind wir bei
den nüchternsten Sinnen dennoch der Gefahr ausgesetzt, von einem
Psychiker biolog isirt (d. h. von vornherein in seine seelischen Vorstellungen
verstrickt) zu werden, so dass wir Gegenstände sich bewegen
sehen können, die sich doch nicht in Wirklichkeit bewegen,
wie z. B. in dem Fall des türkischen Derwisches, welcher die Wände
der Kammer scheinbar in Bewegung setzte (s. „Psych. Stud." October-
Heft 1882, S. 469). Wer verbürgt uns, dass wir nicht durch seelische
Ansteckung in der Nähe eines solchen Psychikers stets die um uns
her vorhandenen Dinge von vornherein schon in anderer Anordnung
sehen, als sie in von ihm unbeeinflussten Zustande wirklich sind?
Haben wir nicht etwas Analoges in der Liebe und im Hasse gegen
gewisse Personen? Da sehen wir ein und dieselbe Handlung der nämlichen
Person ganz verschieden an. Die Theorie der wirklichen Sinnestäuschungen
scheint uns durch die bisherigen Beobachtungen doch
noch nicht ganz erschöpft zu sein. Wir verweisen dieserhalb noch
auf unsere Note S. 451 des October-Heftes 1882 der „Psych. Studien". —-
Desgl. auf den Schluss der Note Seite 128. — Der üebersetzer.
*) Diese Ansicht des Verf. muss Unterzeichneter doch nach dessen
eigenen Voraussetzungen bezweifeln. Wenn der Index-Apparat oder
die Waage z. B. denselben Tisch in der Nähe eines Psychikcrs bald leicht,
bald schwer anzugeben im Stande ist, wer verbürgt uns denn die Gewissheit
, dass nicht auch die Waage selbst vom Psychiker mit be-
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