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Wittig: Ein zweites sächsisches Test-Medium. 223
vorgestellt werden, wie äussere Sinneserscheinungen. Da
die Vibrationen oder Schwingungen aller Dinge und alles
Geschehens im supponirten Aether auch unser ganzes inneres
Gehirn überall im Räume und in der Zeit, in denen es sich
gerade befindet, durchzittern, so ist unsere Psyche sicher im
Stande, nicht bloss mit den äusseren beschränkteren Sinnenpolen
unseres Organismus, sondern weit mehr noch mit deren
inneren concentrirteren Gegenpolen im sogenannten Trance-
Zustande dieselben Schwingungen im Gehirn viel freier und
conciser wahrzunehmen. Daher die anscheinend so wunderbare
Gabe des Hellsehens und selbst Gedankenlesens
solcher somnambtil Hellbesinnter, die uns, denen
nur die beschränkten normalen äusseren Sinne eröffnet sind,
ganz erstaunlich frappiren müssen. Und diesem Umstände
ist es allein zuzuschreiben, dass die von solchen Medien
projicirten Erinnerungsbilder angeblicher G e i s t e r gestalten
oft Dinge wissen und mittheilen, welche kein normal Sinnenbegabter
von seinen engen äusseren Sinnenspalten aus zu
überschauen vermag. Stets ist ja das Centrum im allseitigen
Vortheile gegenüber einzelnen Theilen und Radien seiner
Peripherie. Es vermag von seinem Mittelpunkte aus alles
im Kugelumfange Geschehende gleichsam auf einmal zu per-
cipiren und zu combiniren. Wenn wir uns nun die Psyche
als ein solches Wahrnehmungs-Centrum denken, das, bloss
auf die äusseren peripherisch-isolirten Sinne im normalen
Zustande angewiesen, immer nur einzelne Rruchtheile des
Ganzen überblickt, im ekstatischen Trance-Zustande aber
auf sein Centrum zurückgezogen und mit den Schwingungen
aller radialen und peripherischen Kugeltheile in direkter
Verbindung steht, so wird einleuchten, dass der letztere Zustand
gegenüber dem normalen theilbeschränkten Sinnenleben
in bedeutendem Vortheil sich befindet, sowohl was
innere Anschauung als äussere Verwirklichung
(Projicirung) derselben betrifft.
Schon unser normales Sinnenleben ist auf solche Verwirklichung
innerer Anschauungen angewiesen
. Wir besitzen die geistige Fähigkeit der Wahrnehmung,
Vorstellung und Reproduktion wirklich angeschauter Dinge
— aber auch die geistige Fähigkeit der Neubildung
von Vorstellungen oder Idealen, welche der
menschliche Geist in allen Gebieten der Poesie, Kunst,
Wissenschaft, Religion und des Lebens in praktische Wirklichkeit
zu verwandeln sucht Nur ist er im Bereiche der
äusseren Natur und der diesem angepassten äusseren Sinne
meist nur auf die diesen entsprechend gestalteten Dinge angewiesen
, die er nur durch tiefer eingehende physikalische
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