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Wittig: Ein zweites sächsisches Test-Medium. 227
selbst, das sich von seinen Banden frei machte. Ich selbst
habe die am verlassenen Stuhle leer ciahängenden, noch
verknoteten Taschentücher und unverletzt angesiegelten
Stricke gesehen und befühlt! Wie ist dieser Fall nun auf
vernünftige "Weise zu erklären, wenn wir nicht ein überirdisches
Geisterwunder, das ganz ausserhalb des
Rahmens unserer bisherigen Naturerkenntniss liegt, annehmen
wollen?
Ich glaube, wir haben (stets die volle Echtheit dieser
Erscheinungen vorausgesetzt,*) welche jeden Betrug und
jede Täuschung ausschlösse,) nur drei natürliche Erklärungsmöglichkeiten
vor uns ausser der Geisterhypothese
. Die somnambul-psychische Kraft des Mediums
muss dasselbe körperlich aus seinen Banden entweder in die
vierte Dimension Zöllners entrückt, oder zu einer nebelartigen
Dunstgestalt vergrösser t, oder zu einer mikroskopischen
Kleinheit zusammengezogen haben, um
es aus diesen anscheinend unlösbaren Banden und Fesseln
körperlich heraus zu bekommen. Für die letzteren beiden
Fälle habe ich bereits bei Gelegenheit eines Artikels über
„Andrew Jackson Davis interviewe«!" („Psych. Stud." November
-Heft 1881, Note S. 487) plaidirt, ohne Widerspruch
oder besondere Beachtung gefunden zu haben. Zur Zeit
lebte Professor Zöllner noch, der mir bei Gelegenheit eines
kurz darauf folgenden Besuches versicherte, er könne trotz
aller seiner Gegner von seiner vierten Dimension nicht
abgehen. So viel ich aber auch mit ihm über dieselbe mich
unterhielt, so oft behielt ich den Eindruck, dass er mich
nicht anschaulich in die Gründe seiner Theorie einzuweihen
vermochte. Sie war ihm nur eine logisch zwingende Schlussfolgerung
aus sonst unerklärlichen Thatsachen. Er entwickelte
mir einst auf meine Fragen eine lange geometrische
* Rechnung, aus der wohl die Notwendigkeit der vierten
Dimension, nicht aber ihre deutliche Anschaulichkeit
hervorgehen sollte. Letztere war nach seiner Ansicht überhaupt
nicht möglich, trotzdem es eine Grundregel seines
Lieblingsphilosophen Kant war und blieb: „Begriffe ohne
Anschauungen sind leer."
Die Theorie der vierten Dimension ist aber
meiner unmaassgeblichen Ansicht nach trotz aller bisherigen
*) Es haben sich mir bei einer viel späteren zweiten Sßance im
März 1883 mit denselben Medien doch einige bedeutende Zweifel gegen
die prätendirte üebernatürlichkeit und mystische Wunderbarkelt der
Erscheinungen der ersten S6ance ergeben, welche ich in meinem
Schluss-Artikel zu erörtern gedenke, um anderen Forschern Yorsicht
gegen übereilte Schlüsse daraus zu empfehlen.
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