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Wittig: Ein zweites sächsisches Test-Medium. 229
Sonne zu doch sichtlich geneigten und zu einem spitzen
Winkel sich verbindenden Schenkel in Wahrheit in das
genaue Gegentheil unserer optischen Wahrnehmung, in zwei
von der Sonne aus auf unseren Horizont zu sich in einem
höchst stumpfen Winkel zusammenneigende Linien, während
der scheinbar hinter der Sonne für uns Hegende Schnittpunkt
in Wahrheit nicht mehr hinter der Sonne, sondern vielmehr
tief unter unseren eigenen Füssen liegt! Hinter der Sonne
liegt gar kein wirklicher Schnittpunkt und Winkel, sondern
nur ein für uns scheinbarer mit weit offenen Schenkeln:
Könnte irgend etwas Anderes die Unzu^erlässigkeit unserer
gewöhnlichen Sinneswerkzeuge in Bezug auf Messungen noch
schlagender darthun? Der für unsere Augen scheinbare
Schnittpunkt unserer zur Sonne gezogenen Horizontschenkel
verwandelt sich hinter der Sonne in eine in's Unendliche
sich erweiternde stumpfwinkelige Schenkelöffnung anstatt
einer spitzen Schenkeischliessung!
Ob wir trotz aller Ausfindigmachung der Gesetze
der Perspective und der Parallaxe wohl jemals
zur absolut exacten Bestimmung derselben gelangen werden?
Diese Frage könnten uns nur Diejenigen bejahend beantworten
, welche von ihrem Sinnendünkel und dessen absolut
richtiger Euklid'i&cher Messungskunst noch wahnbefangen
sind. Bis heute ist die Parallaxe der Sonne trotz aller
Venusdurchgänge und anderen Hülfsmessungen noch nicht
absolut genau ermittelt, and sie dürfte es auch wohl
niemals werden. Sie wird stets nur eine relativ oder annähernd
bestimmte bleiben. Nach Dr. Försters, des Direktors
der Berliner Sternwarte, neuestem öffentlichen Yortrage
über den letzten Venus-Durchgang „hat sich leider
„eine internationale Bearbeitung der Ergebnisse der beiden
„letzten Venus-Durchgänge (von 1874 und 1882) nicht sicher
„stellen lassen, vielmehr wird jede Nation die Beobachtungen
„der von ihr ausgesandten Expeditionen für sich allein berechnen
(die Berechnung der Resultate von 1874 hat man
„im Allgemeinen bis jetzt aufgeschoben, um sie mit denen
„von 1882 zusammenzufassen). Vermuthlich werden sich
„hierbei kleine Differenzen ergeben, und wir werden dann
„eine deutsche, französische, englische, amerikanische etc.
„— Sonnen-Entfernung haben! Nach den beiden Ve-
„nus-Durchgängen des vorigen Jahrhunderts (1761 und 1769)
„dauerte es bekanntlich ziemlich lange, bis eine alle Beobachtungen
umfassende und berücksichtigende Berechnung
„stattfand; denn erst der deutsche Astronom Encke löste
„in endgiltiger und musterhafter Weise diese Aufgabe (1824
„und 1835). Hoffentlich haben wir diesmal nicht wieder
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