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Psychische Studien. X. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1883.) 231
Philosophische Forschungen über Geist und Materie
für Freunde der Geistwissenschaft.
Von J. ütrigel in Augsburg.
V.
(Schluss von Seite 190.)
Die Thatsaehen der Natur und der Wissenschaft ergeben
kurz nach dem Bisherigen, auch nach der Philosophie
von Dr. Rosenkrantz, das Folgende.
Die höchste Macht und das höchste Sein, als Urgrund
der erscheinenden Welt, ist ein Selbstbewusstes; ist eine
sich selbstbestimmende Wesenheit; ist Geist! — Aber im
Selbstbestimmen liegt der Begriff der Freiheit sowohl, als
jener der Beschränkung.
Als erste Selbstbestimmung erscheint das Selbstbewusst-
sein; und in den weiteren Bestimmungen die Ideen und die
Gedankenwelt
Eine ewige Bewegung — im Denken — und eine unendliche
, unbestimmte, geistige, raumlose Art des Urseins
liegen allen Formen, als Bestimmungen, zu Grunde,
Wie das Selbstbewusstsein nur durch die erste Selbstbestimmung
entsteht, so erscheint, wenn der Wille, als die
innerste Energie des Geistes, centrifugal, oder nach aussen,
— im Gegensatz zum reinen Denken — sich bethätigt und
so schöpferisch wirkend wird in der Erscheinung, auch als
erste und allgemeinste Bestimmung die äusserste Grenze der
Erscheinungswelt.
Nach der ersten allgemeinsten Bestimmung des bisher
Unbestimmten, Grenzelosen, als Grenze der zu entwickelnden
Welt, differenziren sich die Weltkörper und aus ihren lebendigen
Kräften stets höhere selbstthätige Organismen bis zur
sich selbstbestimmenden Geist-Individualität, als ein Bindeglied
eines höhern Wesenreiches. Mit dieser Stafe beginnt
die Civilisation, als die jüngste, erste, werdende Phase der
Schöpfung, nach Dr. Schaffte.
in dem grossen, lebendigen Körper der Gottheit eingegliedert
, erscheinen also, den Ganglien gleich, stets höher
differenzirte, selbstthätige Kraft- oder Geistcentren, und als
der Endzweck des erstaunlichen Ganzen zuletzt der sich
selbstbestimmende Individualgeist. Mit ihm beginnt „Persönlichkeit
" im engeren Sinne, als ein Ewiges, und das
moralische Gesetz. — Dass aber der so entwickelte „Geist44
ein ewiges Kraftcentrum ist, folgt aus der Unvernichtbarkeit
der Kraft.
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