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248 Psychische Studien. X. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1883.)
deshalb eine Blasphemie auf Christus, weil er gleich im
Eingänge seines Vorworts gegenüber Prof. Fechner an der
Meinung festhält, dass die mystischen Erscheinungen und
die biblischen Wunder nach ihrer formalen Seite wohl in
eine Rubrik gehören?
g) Pen ig (in Sachsen). „Ganz in unserer Nähe ist eine
mystische Persönlichkeit, eine'sogenannte „Somnambule"
aufgetaucht, die den staunenden Beobachtern das fabelhafteste
Zeug auftischen soll. Wir sind nicht berufen, zu
untersuchen, was Wahres oder Falsches an der Geschichte
ist, das scheint uns Sache der Behörden zu sein; wir con-
statiren hier blos die Thatsache, dass in der nahen „Holzmühle
" sich ein weibliches Individuum, ein daselbst in Dienst
stehendes junges Mädchen befindet, das in angeblich schlafendem
Zustande, dessen Eintritt sie vorher bestimmt, den
zahlreichen Besuchern die übernatürlichsten Dinge vorpredigt
und dadurch bei denselben nicht geringes Aufsehen
erregt. Dass ein solches geheimnissvolles Treiben wohl geeignet
ist, Leichtgläubige oder Neugierige anzulocken, ist
selbstverständlich, wir zweifeln aber auch keinen Augenblick
daran, dass den Betheiligten recht bald von berufener Seite
das Handwerk gelegt werden dürfte." (P. Wchbl.) — Gewaltmaassregeln
helfen nicht, sondern lediglich ein ernstes
Studium solcher somnambulen Geisteszustände. Wir verweisen
einfach auf Dr. FahnestocKs Artikel über „Statuvolence."
h) Hohenstock-Ernstthai (i. S.). „Seit einigen
Wochen beschäftigt man sich hier ausserordentlich lebhaft
mit dem Spiritismus und hat es auch bereits zu einigen
Medien gebracht, die alles Mögliche zu weissagen wissen.
So ist kürzlich einer alten Arbeitersfrau, deren Mann vor
circa 8 Jahren gestorben ist, versichert worden, dass derselbe
nun auf der letzten Stufe vor dem Himmel angekommen
sei und demnächst hineinspazieren dürfe. Weiter wirJ. von
einem Manne, der vor einigen Wochen starb und bei Lebzeiten
nicht immer streng gegen sich war, gesagt, er sei in
der dritten Stufe oder Olasse und habe noch Unterricht!
Hält man derartigen Unsinn für möglich? Und doch wird
er von den ungebildeten Leuten für baare Münze genommen,
wenn sie auch versichern, nicht daran zu glauben, ja, selbst
gebildete Leute vermögen sich der Spukgeschichten nicht
ganz zu verschliessen. Fast jedes Dorf und jede Stadt der
Umgegend hat ihr Medium". („Leipz. Tagebl." v. 13. April
er.) Dieses beweist wiederum die Notwendigkeit, dass man
das Volk über die Grundwahrheiten wie Irrthümer des
Geisterglaubens an der Hand der vergleichenden Beobachtung
aufkläre.
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