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Ein gesteig. Empfindnngs- u. Traumleben führt zu Statuvolence. 299
Andere war wie in Wolken eingehüllt. In dem Moment,
als er meine Hand ergriff, sagte mein Begleiter zu mir:
„Ihr Gesicht ist ja wie verklärt, was haben Sie?" Und als
ich ihm erwiederte, dass sein Sohn, mein Schutzgeist da
wäre, war er ganz erstaunt und sagte: „Ich sehe ja nichts,
wo ist mein Sohn ?" Da wurde es mir klar, dass nur meine
Augen ihn sehen können, dass er nur für mich da ist. —
Warum der liebe Gott mir gerade diese Gnade erzeigt,
warum ich ausersehen bin vor so vielen anderen Menschen,
einen Blick in eine andere Welt zu thun? Er allein wird
mir dereinst diese Frage beantworten! —
Mein Schutzgeist umfasste mich und schwebte mit mir
durch einen unendlichen Raum. Mir wurde so leicht, so
glücklich war ich und hatte ich nur den einen Wunsch:
nie mehr zur Erde zurückzukehren und immer dort zu
bleiben. Als wir das herrlich strahlende Wolkengebilde
sahen, erklärte mein Schutzgeist mir, dass dort alle die
Geister der Dahingeschiedenen weilen, welche einen wahren
christlichen Lebenswandel auf der Erde geführt und den
festen Glauben haben, dass Jesus Christus der Sohn
Gottes, unser Heiland und Erlöser ist. „Wehe dem Menschen
, der das bezweifelt", sagte er; „wehe dem, der ein
sündhaftes Leben geführt und die Gebote des Höchsten
nicht befolgt hat; er wird verbannt zu den dunklen Schatten,
die umherirren und nirgends Ruhe finden können!" Ein
Grauen erfasste mich, und sagte ich deshalb zu ihm, dass
ich Gott Hebe und an Jesum Christum glaube. Er sah bei
diesen Worten mich so vorwurfsvoll an und sagte: „Dir
kommen immer noch Zweifel, und bist Du nicht zufrieden
mit Deinem Leben, und klagst Du oft wegen Deines Geschicks
. Das darfst Du nicht, vermeide das Wort: Warum?!
Dies Wort darf kein wahrer Christ gebrauchen; sei zufrieden
mit Deinem 'Sein', wie es der Höchste Dir hat zu Theil
werden lassen, und erschwere mir nicht die Aufgabe, welche
ich zu losen habe; denn ich muss auch für Dich einstehen,
da ich Dein Schutzgeist bin!fct — Als ich ihn fragte, was
für Aufgaben das seien, welche er zu lösen habe, erwiederte
er mir, dass der Mensch dem Höchsten Rechenschaft*) ablegen
müsste von seinem Denken und Thun von der
Zeit an, wo Verstand und Geist zur Reife gelangen. „Werde
so, wie Deine Mutter war, ihre Seele hat einen hervorragenden
Platz hier gefunden". Und als ich, glücklich bei
dem Gedanken, von meiner frommen, edlen Mutter zu hören,
*) Wer aber vormag wob! Rechenschaft von seinem Denken und
Thun abzulegen, ohne vorher nach dem Warum seines Daseins mit
reifem Verstände geforscht zu haben?! — Der Sekr. d. Red.
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