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324 Psychische Studien. X. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1883.)
raüliungen den Autor desselben bestimmt ermittelt zu haben.
Wir liegen nur die Vermuthung, es sei der Feder des ehemaligen
Kaplans der Königin von England Charles Kingsley,
späteren Professors der neueren Geschichte zu Cambridge
und zuletzt Domherrn in Chester und Westminster (f im
Januar 1875) entflossen. In M. Seih verdeutschtem „Lebensbild
von Charles KingsleyMC) (Gotha, Fridrich Perthes, 1879)
14. Aufl. lesen wir, dass Kingsley i. J. 1838 (geb. 1819) die
Universität Cambridge besuchte und sich dort mit Eifer
philosophischen Studien widmete. Die Sommerierien verbrachte
er mit seinen Eltern und Geschwistern auf dem
Lande, und dort begegnete er zum ersten Mal seiner späteren
Frau. „Das war mein eigentlicher Hochzeitstag", hat er
viele Jahre danach geäussert. Sein Gemüth war damals
von Zweifeln zerrissen, er war mit 3ich und der Welt un-
eins: die bestimmten Anschauungen seiner Braut, der innige
Verkehr mit dieser klaren Natur brachte ihm die Hoffnung
innerer Harmonie. „In dieser Gesellschaft hab ich," sagt
er in einem Briefe aus späterer Zeit, indem er Goethes Worte
(„Wilhelm Meistens Lehrjahre" III, 7. Buch) anführt, „so
„darf ich wohl sagen, zum ersten Mal ein Gespräch geführt;
„zum ersten Mal kam mir der eigenste Sinn meiner Worte
„aus dem Munde eines Andern reichhaltiger, voller und in
„grösserem Umfang wieder entgegen; was ich ahnete, war
„mir klar, und was ich meinte, lernte ich anschauen." —
Allerlei widrige Familienverhältnisse Ii essen sechs Jahre vergehen
, ehe diese zwei Menschen den Bund für's Leben
schliessen durften. Ein idealeres Yerhältniss als das der
beiden Gatten ist nicht auszudenken.
Kingsley ist der Dichter der „Saint's Tragedy" (Leben
der H. Elisabeth), des „Yeast", „Alton Loke", „Westward Ho!"
und der berühmten „Hypalia", in welchem Buche er „mit
sittlichem Enthusiasmus den Namen des Alexandriners Cyrill
und seiner Nachfolger mit unauslöschlichem Brandmale zeichnete
, weil sie unter dem Deckmantel eines hohlen Ohristen-
thums und falscher Rechtgläubigkeit die Menschlichkeit und
Sittlichkeit mit Füssen traten", wie Dean Stanley, ein berühmter
Kirchenmann Englands, berichtet. Max Müller
hat ihm in der Vorrede zu Kingsley"s „The Roman and the
Teuton" einen unvergänglichen Nachruf gewidmet. Auf ihn
allein könnte der hohe Gedankenflug zurückzuführen sein,
den wiederum nur ein Meister deutscher Uebersetzungskunst
*) „CharlesKingsley": Iiis Leiters and Memories of his Life. Edited
by his Wife. (6%. KJs Biiefe und Lebens - Erinnerungen von seiner
Gattin.) Leipzig, Tauchnitz, 1882.
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