http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1883/0335
Wittig: Philosophie und Naturwissenschaft in ihrer Beziehung etc. 327
dass auf ihm vor Allem jeder fanatische Dogmatismus vom
Uebel sei, annähernd richtig und ohne Gefahr, in einseitigen
Fanatismus oder Wahn zu verfallen, zu lösen sind.
Gr. C. Wittig.
Philosophie und Naturwissenschaft in ihrer Beziehung
zum experimentellen Spiritualismus.
Ii.
(Schluss von Seite 282.)
„Sehen wir aber von diesen Einseitigkeiten ab, so fragt
es sich, ob uns die Entwickelungsiehre ähnliche
Rückschlüsse auf dem Gebiete des Völkerlebens gestattet,
wie wir sie beispielsweise in der Geologie aus den verschiedenen
Schichten der Erdrinde auf frühere Perioden
tellurischer Existenz unbedenklich uns erlauben. Dass dies
thatsächlich der Fall ist, gehört zu den fruchtbarsten
Errungenschaften jener Theorie, die leider noch viel zu
wenig gewürdigt wird. Treffend charakterisirt diesen Punkt
ein moderner Forscher: — «
,/Es ist eine der grössten und folgenreichsten Entdeckungen
der Wissenschaft unserer Tage, dass jedes kosmische
Gebilde alle Phasen seiner Entwickelung noch an
sich trügt und aus Allem, vras ist, die unendliche Geschichte
seines Werdens in ihren Grundzügeu erschlossen werden
kann. Wie sich aus der Struktur des gestirnten Himmels
von heute dessen weltgeschichtliche Entstehung erschliessen
lässt; wie die Schichten der Erdoberfläche uns die Geschichte
unseres Planeten entrollen; wie die Morphologie
uns gelehrt hat, aus der organischen Struktur irgend einer
Pflanze oder eines Thieres aut die Stufen zurückzuschliessen,
welche es dereinst durchlaufen hat, bis es zu seiner jetzigen
Entwickelungshöhe gelangte, und wie wir in den Phasen
des fötalen Lebens die wesentlichen Phasen des Eassen-
lebens wiederfinden; wie aus der Struktur des menschlichen
Gehirnes die Geschichte seiner Entwickelung durch denjenigen
entziffert werden kann, welcher diese Runen zu
lesen versteht; wie der Sprachforscher aus der Sprache eine
Geschichte der menschlichen Vernunft zu Tage fördern
kann; wie sogar, wenn man Geiger*s interessanten sprachwissenschaftlichen
Forschungen trauen darf, das Farbenspektrum
zugleich die Geschichte des menschlichen Sehens
bedeutet: so giebt uns auch das Gesammtbild der menschlichen
Kasse und der Zustand jedes einzelnen Organismus,
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1883/0335