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344 Psychische Studien. X. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1883.)
„vermöchte den in unserer Weltanschauung bewirkten Umschwung
zu schildern? Also es war doch so, und alle unsere
„Schulweisheit ging fehl! "Würden wir unter der Gewalt
„solcher Katastrophe nicht zerknirscht, nicht anbetend zusammensinken
? Kaum dass uns Lust bliebe, die leuchtenden
Gestalten spektroskopiscb zu studiren, oder etwas von
„ihrer Substanz für die chemische Untersuchung aufzufangen/
„— Der Spiritist Faust, „der ernste deutsche Professor",
„konnte also nach seiner Rückkehr aus der vierten Dimen-
„sion unmöglich sich ins wilde Leben, in ephemere, ja verbrecherische
Freuden stürzen, zum Verführer und Todt-
„schläger werden; er musste entweder anbetend niederknien,
„oder den Erdgeist und vielleicht auch den Mephistopheles
„spektroskopisch untersuchen. . . . Goethe hatte aber (nach
„seinem „Geheimnissvoll am lichten Tag Lässt sich Natur
„des Schleiers nicht berauben" etc.) eine Abneigung gegen
„das Experiment und hegte Geringschätzung (?) gegen die
„schulmässigen (sie!) Bemühungen der Naturforscher. Du
„Bois-Reymond belehrt ihn indess, dass richtig gebaute In-
„strumente die Kenntniss und Macht des Menschen innerhalb
der Grenzen des Naturerkennens fördern und dazu
„unentbehrlich sind. Wie hätte nun eine Faustiade von Du
„Bois-Reymond ausgesehen? ..." — Gottschall ist indess mit
Du B.-R?s Faustkritik ebenso wenig litterarisch oder ästhetisch
zufrieden, wie Dr. Engel in seinem „Magazin für die
Litteratur des In- und Auslandes" in diesem Jahrgang,
worin dieser das Sichversteigen des Physikers in die Gebiete
der höheren Kunst trefflich geisselt. Was würde erst
der nun leider verstorbene Prof. Zöllner von seinem Standpunkte
aus gegen den Berliner Rector M. vorgebracht haben,
dessen Selbstberäucherungen ihm bereits in seinen „Wiss.
Abhandl." zur trefflichen Zielscheibe seines Witzes dienten.
Das alles darf uns aber gleichwohl nicht blind machen gegen
Du Bois-Reymond's wirkliche Verdienste und die von ihm
ausgesprochenen Wahrheiten. Seine obige Satire gegen
den Spiritismus ist uns von hohem Werth als ein Zeichen
der Zeit und eine ernste Mahnung, dass sich die Gelehrten
in corpore dennoch werden schlüssig machen müssen, an
den ihnen verhassten Gegenstand kritisch prüfend heranzutreten
und die Weizenkörner der Thatsachen von der Spreu
der damit verknüpften Vorurtheile und Glaubensmeinungen
bei Zeiten zu sondern, ehe dies für ihr Können und ihre
im Glauben des Volkes in diesem Punkte ohnehin schon
vielfach erschütterte Stellung zu spät wird. Denn ebenso
wenig wie bei Hansen, ist bei den spiritistischen Medien
Alles, was sich bei ihnen ereignet, Betrug und Schwindel.
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