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354 Psychische Studien. X. Jahrg. 8. Heft. (August 1883.)
winden. Der Geist aus der Tiefe kann nur
durch den heiligen Geist überwunden werden,
mit dem Schwerte des Geistes, welches ist
das Wort Gottes.
Diese und andere krankhafte Erscheinungen im Geistesleben
unserer Zeit legen daher allen Dienern der Kirche
als erste und heiligste Pflicht auf Herz und Gewissen, in
Schule, Confirmandenunterricht, Katechismuslehre, Predigt,
Beichte, an Kranken- und Sterbebetten, an Gräbern, kurz
überall, wohin das Amt sie ruft, die gesunde Lehre
mit der grössten Hingebung, Treue und Gewissenhaftigkeit
zu treiben. Je näher die Versuchung, gerade für eifrige
Geistliche, liegt, im Hinblick auf die in das Auge fallenden
Erfolge sectirerischer Treiberei sich einseitig auf die Er-
weckungspredigt zu legen, in der guten Meinung, dass man
auch vom Gegner lernen müsse, desto nachdrücklicher ist,
unter Hinweisung auf die schlimmen Früchte ungesunder
sectirerischer Agitationen bei der Urteilslosigkeit der grossen
Menge, daran zu erinnern, wie nöthig es ist, durch gründliche
, klare und eingehende Unterweisung in Gottes Wort
das Urteilsvermögen unserer Christen, auch der sogenannten
gebildeten, zu stärken, damit sie lernen, gesunde Weide von
falscher Lehre zu unterscheiden, und geübte Sinne bekommen
, die Stimme des guten Hirten zu hören, die
Fremden aber, die mit gleissendem Schein der Frömmigkeit
zu ihnen kommen, zu fliehen. Dabei wird allerdings jene
im trockensten Lehrten gehaltene Predigtweise, die durch
ihre Langweiligkeit abstösst, zu vermeiden sein, wohl aber
eine solche sich empfehlen, die durch geistvolle Lebhaftigkeit
die Hörer für das Wort Gottes zu interessiren versteht
, in das Verständniss der Heils Wahrheit einführt und
durch Vermittelung der Erkenntniss die Herzen fest in
Gottes Wort gründet, damit sie sich nicht durch jeden
Windstoss falscher Lehre in Unglauben oder Aberglauben
verführen lassen.
Was insonderheit das spiritistische Treiben betrifft, so
wird dasselbe zwar keineswegs, auch in den davon angesteckten
Gegenden, zum einseitigen Gegenstand der Kanzelpolemik
gemacht werden dürfen, wobei der übrige Theil
der Gemeinde mehr oder weniger leer ausginge, während
die, welchen die Polemik gälte, meistens gar nicht gegenwärtig
sind. Aber ebensowenig wird sich der Lehrer und
Prediger des Evangeliums scheuen dürfen, bei gebotener
Veranlassung klar und unzweideutig aus
der Schrift zu erweisen, dass das Fragen der
Todten an sich — ganz abgesehen davon, ob Gutes oder
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