http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1883/0418
410 Psychische Studien. X. Jahrg. 9. Heft. (September 1883.)
Die ganze Natur erscheint als eine Einheit, worin das
sich Unähnlichste, durch die gleichen Kräfte, nach Maass
und Zahl nur verschieden verbunden, auf dynamische "Weise
sich manifestirt oder wirkt. Das höchste Vermögen, der
konzentrirteste Wille, [welcher sich am freiesten aus sich
selbst zu bestimmen vermag, ist unter dem uns bekannten
Entwickelten der Menschengeist; derselbe scheint sich
jedoch nicht immer der aus ihm selbst entspringenden Wirkungen
, sowie der ihn erregenden Ursachen bewusst.
Das Folgende soll diese Annahme stützen, wobei der
kritische Leser gebeten ist, den Fall, wenn möglich, selbst
zu studiren und in Prof. Kiesels „Archiv44 besonders das zu
beachten, was dieser Mann im 6. Bd. 1. Heft, S. 88—147
bezüglich der Erklärungen vom Standpunkte des Aberglaubens
, des Unglaubens und der Wissenschaft sagt. Dess-
gleichen empfiehlt sich die Kenntniss dessen, was derselbe
im 3. Bd. 3. H. S. 117 und folg. berichtet, nebst ähnlichen
Beobachtungen. Unsere Geschichte beginnt im 3. Bd. 2. Heft,
S. 50 des Archiv's, und ist wohl geeignet, einiges Licht in
diese räthselhaften psychischen Phänomene zu bringen, deren
Wurzeln oft nur in krankhaftem Wünschen und Bilden der
eigenen Psyche, in der unharmonischen Mischung der Kräfte
und den hieraus resultirenden Bewegungen begründet sind.
Es dürfte auch die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass
das wollende, erkennende und fühlende Prinzip, der Geist,
an ein Medium oder Werkzeug in der Individualität, bez.
seiner Aeusserungen, gebunden ist, welches sowohl die Einflüsse
der Aussenwelt, als die innern Vorgänge falsch zu
reflektiren vermag.
Wenn indessen im Folgenden von dem ausgezeichneten
Beobachter, Prof. Kieser, der eigene Geist des Kranken, in
Folge besagten Werkzeuges, als die selbsttäuschende Ursache
angenommen wird, so muss doch auch die Möglichkeit
eingeräumt werden, weil alle Sphären der Natur wie Kinge
zusammenhängen, dass Ursachen und Anregungen, welcLe
nicht in der von uns real genannten Erscheinungswelt liegen,
auf uns einwirken können, was schon Kant annahm, und
unsere Vorstellungen als Bewegungszustände zu beeinflussen
vermögen; ja welche, als direkt vor Gott kommend, uns auf
unbegreifliche Weise berührend und erregend, öfter dargestellt
wurden. Es bleibt also wohl richtig, was Dr. Horst,
der vorzügliche und aufgeklärte Kenner dieser Thatsachen,
sagt: — dass eine Geisterwelt dogmatisch annehmen und
„Krankheitsgeschichte der G.ß. in Höfflingen" vom Pfarrer ßlwnharclt
(s. Psych. Stud. 1881 und 1882) mitgetheilt zu haben, an welche sich die
vorliegenden würdig und bestätigend anschliessen. — Die Red.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1883/0418