http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1883/0437
Gambetta und Bismarck in ihren Beziehungen zum Psychismus. 429
„Die Grenzboten" (Leipzig, Fr. W. Grunow) No. 51 vom 14.
December 1882 gewährt eine höchst fesselnde Charakterstudie
des grossen Staatsmannes, welche mit einer uns ganz
unerwarteten und für die Leser der „Psych. Studien" gewiss
höchst interessanten Wendung in's spiritualistische Gebiet
hinüber schliesst.
„Das Thema9t( — heisst es daselbst, — „welches wir
uns im Vorstehenden klar zu machen versucht haben, ist
damit nicht hinreichend aufgehellt. Es giebt in genialen
Menschen, in den Heroen, die wir verehren, dunkle Gründe
des Könnens und Wollens, zu denen gewöhnlicher Verstand
nicht hinabdringt, wie sehr er sich auch abmühe, tief zu
kommen, ja über die sie selbst vielleicht sich keine deutliche
und genügende Rechenschaft zu geben vermögen. 'Ich
möchte lieber schlafen, aber es denkt, es speculirt in mir/
sagte der Kanzler einmal in Versailles, als er von ruhelosen
Nächten sprach. Was das 'es' war, das gegen seinen Willen
in ihm dachte, blieb zu erratben. Man glaubte zu ahnen,
aber nicht ohne Zweifel.*) So ist's auch in andern hier
einschlagenden Fragen. Was man auch entdecke, immer
bleibt ein unerklärlicher Rest, und wenn man sich sein
Ergebniss ansieht, ist's nur ein Durchscheinen von Farben
und Formen durch einen Vorhang, die Wahrheit, aber nicht
die volle Wahrheit. Näher käme dieser wohl die tägliche
Umgebung des Fürsten, falls die dafür Sinn und Sinne
hätte. Möglich, dass jener Rest etwas sehr einfaches ist,
so einfach wie der Kern vieler Räthsel. So verhält sich's
vermuthlich auch mit dem, was zum Schlüsse noch erwähnt
werden muss.
„Neben dem religiösen Glauben geht auch bei grossen
Geistern mitunter ein Etwas her, das von der aufgeklärten
Welt als Aberglaube bezeichnet wird, und das, sowenig es
im Christenthum wurzelt, doch meist in einem gewissen
Zusammenhange mit der Religion überhaupt steht, und auch
davon finden wir bei Bismarck Spuren.
„In Ostpreussen giebt es ein unbewohntes Schloss, das
deshalb leer steht, weil seine Besitzer wissen wollen, es gehe
darin das Gespenst einer Dame um, die dort ein Verbrechen
begangen habe. Der Spuk soll sich bei hellem Tage zeigen.
Als das einst bei Bismarcks erzählt wurde, und einer der
Anwesenden über die Sache scherzte, sagte der Fürst ernst,
man möge darüber nicht spotten und lachen; es könne sehr
*) Man sehe hierüber Aufklärendes in Zöllners „Transcendental-
Physik" (Leipzig, L. Staackmann 1879,) Seite XXV. ff. -
Gr. C. W.
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