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432 Psychische Studien. X. Jahrg. 9. Heft. (September 1883
kann das hier in doppeltem Sinne verstehen. Ich möchte
es in dem nehmen, in welchem es Shakespeare gebraucht.
Starken Geistern bleibt unbenommen, es anders anzuwenden.
Publieus, auch ein starker Geist, wird ihnen dann beipflichten
." --
Sollen wir nun diese Berichte über die zwei hervorragendsten
Staatsmänner der Gegenwart wirklich nur in dem
Sinne des „Figaro" als eine Art Aberglauben,
odor mit Moritz Busch als einen blos angeborenen
und anerzogenen mystischen Hang auffassen?
Sind Beide darum Geisterseher?
Wenden wir uns zuerst zu Gambetta, welcher an gewisse
Prophezeihungen glaubte, welche durch Karten und
Somnambulen ihm vermittelt waren. Im Berichte des
„Figaro" entdecken wir keine Spur von einer sogenannten
Geisterseherei. Wir haben es in beiden Fällen
lediglich mit der Kraft oder Gabe des Hellsehens zu
thun, welche durch Vermittelung von Karten oder somnambuler
Zustände in den betreffenden Personen erweckt wird.
Dr. Fahnestock hat uns durch seine Artikel über die grosse
Tragweite dieser statuvolischen Zustände ausreichend belehrt
. Es ist sonach vielmehr das ein blosser Aberglaube,
dass Kartenschlägereien absolut werthlos seien.
Sie haben sicher dieselbe Bedeutung wie die echte me-
diumistische Schreibmediumschaft, wenn sie sich vom Geisterglauben
emanzipirt. Wir reden selbstverständlich nicht
jeder Art derselben das Wort, bemerken aber, dass es
statuvolische Zustände im Menschen geben kann, der uns
vollständig wach erscheint. Das ist bei vielen Karten-
schlägerinnen der Fall. Dass dieselben oft die volle Lebenswahrheit
schlagend treffen (hellsehend erschauen), kann ich
mit einer persönlichen Erfahrung belegen. Als ich im Jahre
1857 meine erste Frau heirathen wollte, veranlasste sie mich,
mit ihr zum Scherz zu einer damals berühmten böhmischen
auch übersetzen: „Dinge, von denen eure Physik sich noch nichts träumen
lässt." Der jetzt noch unbekannte Zusammenhang kann ja künftig gefunden
werden. In „Taming of the Shrew" I, 1 spricht Tranio von
„Metaphysics"; aber man vergleiche auch noch „Eatnlet" II, 2 die
Eede des Prinzen kurz vor dem Auftreten des Polontus, wo joner
sagt: „'S blood, there is something in this more than natural, if philo-
sophy could find it out," und dann wieder „Lear" III, 4, wo der
König äussert: „Let me talk with this philosopher, what is the cause
of thunder." Endlich spricht wohl auch die Stelle in „Romeo and
Juliet" III, 3 für unsere Auffassung, wo Romeo dem Klosterbruder
antwortet: „Hang up philosophy! Unless philosophy can make a Juliet,
displant a town, reverse a princes doom, it helps not." Doch ist es
hier vielleicht ein Wortspiel gegenüber dem Mönche. —
Anm. v. M. Busch.
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