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434 Psychische Studien. X. Jahrg. 9. Heft. (September 1883.)
mit der Jagdaufbruchsstunde vorzeitig verwechseln, da zwei
kräftige Vorstellungsreihen ihr Gemüth beschäftigten.
Die Vorstellung, dass die Zahl 13 bei Tische und gewisse
Tage unglückbringend seien, ist allerdings ein uralter,
von unseren Vorfahren und Ureltermüttern auf uns über-
gepflanzter Glaube. Damals in vorchristlicher Zeit waren
gewisse Zahlen und Tage noch heilig, denn sie galten als
religiöse Ceremouial vor Schriften. Als diese aus dem Glauben
und der Sitte unserer Vorfahren mit dem Christenthum verschwanden
, blieben doch immer noch gewisse dunkle Nachwirkungen
in Gemüth und Erinnerung zurück. "Wer nun
fest an die Möglichkeit eines Unglücks unter gewissen Bedingungen
glaubt, der kann ein solches leichter für sich herbeiziehen
, als ein Nichtgläubiger. Gesetzt, Bismarck hätte
in Folge seines Glaubens, der 14. Oktober 1870 sei ein für
Geschäftsabschlüsse ungünstiger Tag, in Folge seiner Un-
thätigkeit an demselben den einzig richtigen Zeitpunkt für
eine folgenschwere Verhandlung versäumt, so würde das
Unglück noch grösser geworden sein, aber dann aus eigener
Verschuldung. Zum Glück hatte es hier der mächtige
Sieger in der Hand, sich selbst den geeigneten Zeitpunkt
auswählen oder den vorgeschlagenen Termin verschieben zu
können.
Dass Jemand das Datum seines Todes bestimmt prophe-
zeiht erhalten kann, ist nicht zu bezweifeln; es ist aber auch
k priori niemals festzustellen, welche von derartigen Prophezeihungen
wirklich in Erfüllung gehen werden, oder nicht.
Es wäre nun wichtig, das Bismarck prophezeihte Datum ^u
wissen. Er selbst scheint es nur seinen vertrautesten Freunden
nütgetheilt zu haben. Da er es aber selbst als eine „mystische
Zahl" bezeichnet, so sind wir nicht gewiss, ob seine Berechnung
derselben mit unserer Kalenderzeit genau übereinstimmen
wird. Das muss uns die Zukunft lehren. Dass es doch
tiefere Einblicke in die Zukunft giebt, als wir uns bei
unserer gerühmten Verstandesaufklärung eingestehen wollen,
davon haben wir schlagende Beweise. Wir erinnern nur an
die Papstprophezeihungen des Erzbischofs Malachias — an
die ZeAmVsche Weissagung — an die des Nostradamus,
welche alle oft bis auf die kleinsten Einzelheiten zutreffend
sind. Würde sonst unser erhabener Kaiser Wilhelm das
Dach des Klosters Lehnin wieder aufgerichtet haben?
Was schliesslich Bismarcks Glauben an den Einfluss
des M o n d e s in Bezug auf das Wachsthum betrifft, so
dürfte auch dieser nicht ohne seine gewisse Berechtigung
sein. Wir leben im Allzusammenhang der Dinge; folglich
hat Alles, mithin auch der Mond, seinen ganz spezifischen
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