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Kurze Notizen.
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wurden aber in allen Instanzen abgewiesen. Folgende Stellen
aus den freisprechenden Urtheilen dürften mit Interesse
gelesen werden. Es heisst in dem Urtheile der II. Strafkammer
des H. Landgerichts Braunschweig vom 5. April
1883: — „Wenn der Angeklagte die Anhänger des Spiritismus
, namentlich die Theilnehmer der fr. Sitzungen, als
leichtgläubige Personen, welche, obwohl sie Verstand und
Intelligenz besitzen, mit geringer Mühe, auf sehr einfache
Weise sich dupiren lassen und trotz ihnen gegebener Aufklärungen
an ihrem Glauben festhalten, charakterisirt, wenn
er es als unglaublich bezeichnet, dass in unserem aufgeklärten
J ahrhundert, nachdem schon so viele Medien entlarvt seien,
es immer noch Leute gebe, die an diesen Spuk glauben und
ihr schweres Geld opfern, um sich an diesem Schwindel zu
erbauen, und wenn er dann die Frage aufwirft, ob es nicht
an der Zeit sei, dass die Behörden einem solchen Unfuge
gegenüber einschreiten, so überschreitet er auch mit diesen
Redewendungen nicht die Grenzen einer erlaubten Kritik.
Und auch das macht den für das Feuilleton geschriebenen
Artikel nicht strafbar, dass er auf realem Hintergrunde die
Farben etwas grell aufträgt. Der Vorwurf der „Dummheit"
ist in dem Artikel nicht zu finden. Dagegen ist nicht zu
verkennen, dass durch die fr. Kritik die Privatkläger in den
Augen Vieler lächerlich gemacht waren. Allein deshalb
erfüllt diese Kennzeichnung nicht einmal in objektiver Beziehung
den Thatbestand einer Beleidigung. Jemanden als
einen bis zur Lächerlichkeit leichtgläubigen, leicht zu dupi-
renden Menschen zu schildern, ist nicht schlechthin als eine
Kundgebung anzusehen, welche bei gesunden Ehrbegriffen
die allgemeine menschliche oder bürgerliche Ehre beeinträchtigen
konnte. Die Privatkläger hatten sich schon vor
der Veröffentlichung der fraglichen Artikel in weiteren
Kreisen als Anhänger der spiritistischen Bewegung bekannt.
Wer, wie sie, einer in der Tagesliteratur lebhaft discutirten
Bewegung sich anschliesst, darf selbst die öffentliche Kritik
nicht scheuen, welche bei der Natur dieser durch das persönliche
Ansehen ihrer Anhänger, durch das Maass von
Bildung und Intelligenz der Einzelnen wesentlich getragenen
Bewegung von der Sache die Person nicht immer trennen
und, wo sie wider diese Bewegung auftritt, auch Ironie und
Spott gebrauchen kann und mag." — Ganz ähnlich bat sich
auch das Oberlandesgericht in Braunschweig in seinem
Urtheil vom 30. Juni 1883 ausgesprochen. („Leipziger Tageblatt
" No. 244 v. 1. September 1883.) — Ob die Kläger nun
auch noch die Entscheidung des Reichsgerichts anrufen
werden? Der Fall erscheint uns als von prinzipieller Wichtig-
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