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Maackt üeber den Werth der Graphologie für den Spiritismus. 467
Nach diesen notwendigen einleitenden Erörterungen
darf ich wohl hoffen, auch von Denen, welchen die Graphologie
his jetzt fremd gewesen ist, mit meinen folgenden
Ideen verstanden zu werden.
Allen, die sich mit dem Spiritismus beschäftigen, ist
es bekannt, dass zu den am häufigsten in den Söancen
vorkommenden Manifestationen die graphischen gehören.
Diese mediumistischen Manufacte erlaube ich mir — ün
Gegensatze zu den „realen Handschriften" eines jeden im
täglichen Leben — „transcendentale Handschriften"
zu nennen nach dem Vorgang Zöllners, welcher auf die in
den Sitzungen erhaltenen physikalischen Phänomene eine
„transcendentale Physik" begründete. Unter der Voraussetzung
nun, — und man kann und muss es wohl ja voraussetzen
, — dass die Gesetze und Normen, welche die yvöig
(die Physik, die sichtbare, uns bekannte Natur, das Diesseits
) beherrschen, auch in der (tsraipvaig (der Metaphysik,
der uns noch unbekannten Natur, dem Jenseits) ihre selbige
Gültigkeit haben, und umgekehrt — hier und da vielleicht
etwas erweitert oder modificirt, — unter dieser Voraussetzung
sage ich, dass dieselben Regeln,*) welche für die
reale Graphologie gelten, in gleicher Weise auch auf die
transcendentale Graphologie angewendet werden können.**) #
Nun wird es keinem aufmerksamen Beobachter entgangen
sein, dass die transcendentalen Handschriften von den realen
abweichen, ja dass sie je nach den verschiedenen
Geistern, die sich durch dasselbe Medium manifestieren
soUen und wollen, verschieden sind; wie ebenfalls sogar
bei einzelnen guten Medien sich deren Gesichtszüge
wirklich „verklären" und total verändern, wie die Stimme
so wunderbar hoch und tief, wie der Gesang so „himmlisch"
rein und so „überweltlich" schön bisweilen werden, und
zwar grundverschieden von den realen Gesichtszügen,
resp. Stimmen der Medien.***) Weiter wollen Viele in den
transcendentalen Handschriften die realen ihrer sich mani»
festirenden Angehörigen, Bekannten etc. wiedererkannt haben.
Und es ist auch in der That nicht abzusehen, wenn ein
*) Das Verdienst, die graphologischen Regeln und Zeichen zum
grössten Theil entdeckt und methodisoh geordnet zu haben, gebührt
einem Franzosen Jean Hippolyte Michon. —
**) „Entweder alles in der Natur hat seinen Urheber, oder nichts;
alles steht unter Gesetzen, oder nichts; alles ist Ursache oder Wirkung,
oder nichts — Sollte dies nicht eins der ersten Axiome der Philosophie
sein?" — Lavater's „Physiognomische Fragmente."
***) Dies durch Citate glaubwürdiger Beispiele aus der spiritistischen
Literatur zu bekräftigen, würde zu viel Baum in Anspruch
nehmen.
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