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502 Psychische Studien. X. Jahrg. 11. Heft. (November 1883.)
irrte Geist, der verwirrte Geist in gewissem Falle und in
gewisser Weise mehr Kraft als der Gerechte, der so machtvoll
ist in seiner Einfalt und Weisheit, wenn man nicht ein
Instrument voraussetzt, dessen beide sich unter gewissen
Bedingungen bedienen können, — die einen zum grösseren
Wohle, die andern zum grösseren Uebel?
Die Magiker Pharads thaten vorerst dieselben Wunder
wie Moses. Das Instrument, dessen sie sich bedienten, war
also dasselbe, — nur die Begeisterung, die Absicht war
verschieden, — und als sie sich besiegt erklärten, gestanden
sie, dass nach ihrem Verständnisse die menschlichen Kräfte
ihre Schranken erreicht hätten und dass Moses etwas Ueber-
menschliches an sich haben müsse. Und das geschah in
diesem Egypten, dem Mutterlande der magischen Einweihung
, — in diesem Lande, wo alles geheimnissvolle Wissenschaft
und hierarchische, geheiligte Belehrung war! War
es denn schwieriger, Fliegen erscheinen zu lassen, als Frösche?
Nein, gewiss nicht! aber die Magiker wussten, dass die
fluidische Projektion, durch welche man die Augen fas-
zinirt, sich nicht über eine gewisse Schranke hinaus erstrecke
, und für sie hatte Moses diese Schranke schon
überschritten.
Wenn das Astrallicht sich im Gehirn anhäuft oder das
Gehirn überladet, entsteht ein sonderbares Phänomen. Die
Augen, anstatt nach Aussen zu sehen, schauen nach Innen;
es wird Nacht nach Aussen in der realen Welt, und nur
phantastische Klarheit strahlt in die Welt der Träume.
Das Auge erscheint dann wie umgewendet, und oft zieht
es sich in der That leicht konvulsivisch zusammen und
scheint nach Innen zurückzutreten, indem es sich unter
dem Augenlide wendet. Die Seele nimmt dann durch Bilder
den Reflex ihrer Eindrücke und ihrer Gedanken wahr,*)
d. h. die Analogie, welche zwischen irgend einer Idee und
deren Form besteht, zieht im Astrallichte den repräsentativen
Eeflex dieser Form heran; denn das Wesen des lebenden
Lichtes ist configurativ, gestaltend, es ist universelle Imagination
, von welcher Jeder von uns sich einen grösseren
oder geringeren Theil aneignet je nach dem Grade seiner
Empfänglichkeit, Empfindsamkeit und seines Gedächtnisses.
Das ist die Quelle aller Erscheinungen, aller ausserordentlichen
Visionen, aller intuitiven Phänomene, welche dem
Wahne oder der Ekstase eigen sind.
Das Phänomen der Aneignung und der Assimilation
*) Vgl. „Psych. Stud." Maiheft 1883, S. 222 ff.; dergl. vorliegendes
Heft S. 497 Note u. S. 499 Note. — Die Eed.
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