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Butlerow: Ueber das Studium mediumistischer Phänomene. 543
Wissenschaftliche Vorurtheile, ein übermässiges Zutrauen
zu den gangbaren Ansichten, welche oft unverdienter-
maassen als echte Wahrheit gelten, sind so stark, dass ich
mich nicht wundern werde, wenn Einige von Ihnen, meine
Herren! es befremdend und unpassend fänden, dass ein
Vertreter einer exakten Wissenschaft sich entschliesst, über
eine Frage, welche schon so viel mal als begraben, als nicht
existirend galt, in dieser gelehrten Versammlung zu sprechen.
Ich ergreife aber gerade hier die Gelegenheit, um zu erklären
, dass diese Frage lebt, fortwächst und immer zudringlicher
an die Wissenschaft herantritt.
Meine Aussage aber, oder besser, die Erklärung, warum
ich dieselbe wage, wird auf zwei Gründe zurückgeführt*
Diese sind: —
1) Als Naturforscher hielt ich stets und halte es auch
gegenwärtig für meine Pflicht, Thatsachen in den Vordergrund
zu stellen, ohne sie irgend welchen theoretischen Ansichten
zu opfern; zugleich war ich immer weit davon entfernt
, mich bis zum aprioristischen Läugnen auch ausserhalb
des Gebietes des mathematischen Denkens hinreissen
zu lassen.
2) Ich bin gewohnt, (ich hoffe, Sie werden mir das
Recht, dieses zu sagen, zuerkennen,) offen meine Ansichten
auszusprechen, wenn ich es für nöthig und nützlich halte,
ohne mich um die Sympathie der Mehrzahl zu kümmern.
Wir Vertreter der Wissenschaften haben kein Recht,
den Gegenstand, von dem ich spreche, zu ignoriren; bald
werden wir sogar auch nicht mehr die Möglichkeit dazu
haben. Von dieser Meinung ist wohl ein Jeder nicht weit
entfernt, der ,die Entwickelung der Frage auch nur nach
kurzen, oft unrichtigen Zeitungsnachrichten verfolgte, ungeachtet
diese Nachrichten meistentheils tendenziös redigirt
werden, indem man sie der jetzt herrschenden Verneinung
der Existenz der Frage selbst anpasst. Indessen muss
Jeder, der sich der Arbeit unterzieht, die Litteratur des
Mediumismus genügend kennen zu lernen, sich wundern,
dass man dieser Frage so wenig Aufmerksamkeit schenkt.
Selbst wenn man annimmt, dass nur ein kleiner Rruchtheil
des litterarischen Materials, über welches der Mediumismus
verfügt, etwas Zutrauen und Aufmerksamkeit verdient, so
müsste dieser Gegenstand einen sehr ansehnlichen Platz
unter den gegenwärtigen wissenschaftlichen Fragen einnehmen
.
Möge sogar der Naturforscher und Arzt bei seinem
vollkommenen Misstrauen zur Wahrheit des Erzählten verbleiben
, welches auch immer der Name des Verfassers sei;
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