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558 Psychische Studien. X. Jahrg. 12. Heft. (December 1888.)
„Eine vernünftige, das Alles aus sich selbst wirkende Psyche
„ist ja einfach lächerlich. Lesen Sie doch, was grössere
„Geister von Rang und Stellung als Sie beobachtet haben!
„Da steht z. B. eine Sie total schlagende Geschichte in No.
„41 v. 11. Oktober 1883 der „Spiritualistischen Blätter" in
„einem von Prinz (Fürst) von Solms-Braun/eis (vielleicht kennen
„Sie den Herrn besser als ich!) wo, ist nicht angegeben,
„verfassten Artikel: „Geister in Tirol" unter dem
„Titel: 'Der Geist eines Rehbocks?' Sie scheinen
„gar keine Notiz von so etwas Beweiskräftigem zu nehmen;
„oder wollten Sie das Ihren Lesern etwa absichtlich verschweigen
? So lassen Sie mich wenigstens zu Worte
„kommen. Ich glaube fest daran. Der Verfasser steht zu
„hoch, als dass Sie ihn im Geringsten widerlegen könnten.
„Die gut beobachtete und wahrheitsgetreue Mittheilung
„lautet: —
,/Die Frau eines deutschen, in Tyrol lebenden Landschaftsmalers
ist eine leidenschaftliche Liebhaberin von
„Kindern und Thieren, und verbreitet Freude unter Beiden,
„wo sie kann. Diese Dame hatte einen Rehbock, welcher
„so zahm war wie ein Lamm und jeden Morgen vor ihrer
„Kammerthür erschien, um von ihr mit Milch gefüttert zu
„werden. Nach einiger Zeit wurde das Thier krank, und
„seine Herrin, sehr in Sorge um ihn, trug ihn auf ihren
„Armen nach dem Hause des ziemlich entfernt wohnenden
„Doctors. Derselbe rieth ihr, da das Thier in sehr bedenklichem
Zustand war, es da zu lassen. Dieses that sie auch,
„nachdem der Doctor ihr versprochen, Alles zu thun, um
„es herzustellen, und es dann ihr wieder zuzuschicken. —
„Den folgenden Tag um die gewohnte Stunde hörte die
„Dame die Fusstritte ihres Rehbocks auf ihrer Treppe. Sie
„eilte an die Thür, glücklich in der Erwartung, dass das
„arme Thier, von seiner Krankheit genesen, zu ihr zurück-
„komme. Aber ach, kein Rehbock war an der Thür, vergebens
suchte sie nach ihrem Liebling, rief ihn mit den
„zärtlichsten Namen, Niemand hatte ihn gesehen. Voll
„Sorge eilt sie zur Wohnung des Arztes: da sah sie^auf
„einem Haufen Dünger ihren Liebling; er war todt! Kurz
„vor der Stunde am Morgen, wo sie seine Fusstritte gehört
„hatte, war er gestorben. Sie glaubte fest, dass es sein
„Geist gewesen war, um ihr Adieu zu sagen/ —*)
*) Um von vornherein Missverständnissen vorzubeugen, erkläre
ich hiermit aufs Bestimmteste, dass ich die vom Fürsten von Solms-
Braunfels mitgetheiite obige Geschichte in ihrem thatsächlichen
Vorgange nlcLt im mindesten bezweifle, die Erscheinung des Rehbockes
als polternden Geist aber nicht für reai>objectiv, sondern für
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