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16 Psychische Studien. XI. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1884.)
sprechend wären. So heisst es bei Cicero: — „Für die Ansieht
, "welche Du geltend gemacht wissen willst (so dass die
Seelen nach dem Tode fortdauern j kann ich die trefflichsten
Gewährsmänner anführen, auf welche man bei allen Streitfragen
das meiste Gewicht legen muss und es auch wirklich
zu thun pflegt: zunächst nämlich das ganze Alterthum......
Für die Unsterblichkeit lässl sich ferner derselbe, wie es
scheint, sehr kräftige Grund anführen, der für den Glauben
an das Dasein der Götter geltend gemacht wird, dass es
nämlich kein so rohes Volk, überhaupt keinen so wilden
Menschen gebe, dessen Herz der Glaube an die Götter
nicht erfüllte......Aber in allen Dingen ist die Ueberein-
stimmung aller Völker für ein Naturgesetz zu halten. .
Ich bin ein wenig ausführlich bei Cicero verweilt, weil er
als Philosoph „Eklektiker" ist, mithin auch die obigen Gedanken
jedenfalls bei andern, namentlich griechischen
Philosophen bestätigt gefunden haben wird. Cicero also,
„der wichtigste Vermittler zwischen den Anschauungen der
althellenischen Philosophie und den philosophischen Bestrebungen
des späteren christlichen Abendlandes", äussert
sich nun mit dem zuletzt von ihm angeführten Satz: „Omni
autem in re consensio omnium gentium lex naturae putanda
est"*) für die grosse Wichtigkeit eines historischen
Beweises. Und in der That, mit Becht hat ein derartiger
Beweis Kraft und Bedeutung. Denn eine Meinung, welche
zu allen Zeiten von Vielen gehegt und gepflegt ist, die sich
durch Jahrhunderte fortgepflanzt hat, kann und darf nicht
ohne Weiteres für eine leere Sache gehalten werden. Es
muss etwas Wahres daran sein, sie muss eine — wenn auch
nie erwiesene und begriffene (vielleicht überhaupt nicht zu
begreifende), so doch eine immer tief empfundene und geahnte
, positive Grundlage haben. Daher sehen wir auch in
vielen Werken, welche eine wissenschaftliche Frage behandeln,
sehr häufig — bei Spezialwerken immer — die Einleitung
oder das erste Kapitel einer historischen Darstellung
des zu behandelnden Thema's gewidmet, und zwar theils
aus dem Grunde, um für die späteren Explicationen schon
im Vorwege eine Stütze zu gewinnen, theils um das Falsche
der historischen Ansicht darzuthun, zu deren Correction
und Widerlegung dann die nachfolgenden Kapitel dienen.
Bei Lessing finden wir nun jedoch an einer Stelle**): —
*) D. h. „Aber in allen Dingen ist die üebereinstiinmung aller
Völker für ein Naturgesetz zu halten."
**) „Ueber den Beweis des Geistes und der Kraft.4' (Lessiny selbst
sagt Obiges nicht.»
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