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22 Psychische Studien. XI. Jahrg. 1. Heft. (Januar IWi
lichkeit wahrnehmen, so intuspercipiren sie ein gesamißt-
persönliches normales Sinnesbild dieses Gegenstandes, da
ein jeder mit sehenden Augen dieses Sinnesbild, allerdings
nach seinem örtlichen Standpunkt variirt, intuspercipiren
kann.
Wenn ich allein im Traume einen Gegenstand sehe,
so intuspercipire ich ein einzelpersönliches normales Sinnesbild
, da der Traumzustand als ein normaler Zustand des
Körpers anzusehen ist; freilich ist das Sinnesbild ein leeres,
ohne entsprechenden transcendenten Gegenstand.
Gesetzt den Fall, es träumten Mehreie zu gleicher Zeit
einen Traum, so würden sie deshalb allein noch nicht
ein mehrpersönliches Sinnesbild intuspercipiren. Das wäre
nur der Fall, wenn die Sinnesbilder aller Träumenden eine
in eins fallende Traduetion*) veranlassen würden, wie ja
auch jeder transcendente Gegenstand der Wirklichkeit in
allen ihn gleichzeitig Sehenden eine in eins fallende Traduktion
hervorruft, während die von ihm veranlassten Sinnesbilder
gesammtpersönliche sind. Fallen dagegen die Tra-
duetionen der Träumenden örtlich auseinander, so würden
lauter gleiche, aber örtlich verschiedene Traumgegenstände
traducirt werden. Würden z, B. sieben Personen zu gleicher
Zeit sieben Pferde im Traume sehen, so würden, den Traum
in Wirklichkeit verwandelt, zu gleicher Zeit sieben ganz
gleiche Pferde an verschiedenen Orten vorhanden sein; sie
intuspereipirten eiuzelpersönliche, aber gleiche Sinnesbilder.
Würden dagegen diese Personen denselben Traum mit in
eins fallenden Traductionen träumen, so würde, den Traum
in Wirklichkeit verwandelt, nur ein einziges Pferd vorhanden
sein, das den Sinnesbildern aller sieben Personen korre-
spondirte. Nur in dem letzteren Falle intuspereipirten die
sieben Personen ein mehrpersönliches Sinnesbild, jedenfalls
ein anormales, da ihr Zustand doch wohl kein normaler
wäre, wenigstens sind derartige Träume bis jetzt noch nicht
erhört. Diese Sinnesbilder wären mehrpersönliche, da sie
nur von den Träumenden, nicht von allen Hinzukommenden
intuspereipirt würden.
Gesetzt den Fall, es könnte ein Gegenstand der Wirklichkeit
nur von mehreren, nicht allen Anwesenden geschaut
werden, so intuspereipirten die ihn Sehenden mehrpersönliche
Sinnesbilder, was freilich bis jetzt auch noch nicht
erhört worden ist.
*) Unter Traduetion verstehe ich eine Induction, welche
die Erscheinungswelt überschreitet und auf eine Realität jenseits der
Ersoheinungawelt schliesst. Die Induction ist phänomenologisch, die
Traduetion metaphysisch. („Phänomenologie und Metaphysik der ano r-
malen Sinnesbilder" 6, 10 Note.)
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