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Wittig: Kritik einer Kaplans-Kritik über Zöllner. 29
Menge mehr, als dem Urheber dieser den Beifall doch erregenden
Argumente! Doch der Katholicisnms soll ja
dasselbe Princip verfolgen, nichts auf noch so logische und
vernünftige Gründe Einzelner (Kopernicus, Galilei), alles nur
auf den blinden Glauben der unwissenden Menge zu geben,
obgleich dieser Glaube wieder nur von Einem, dem Papste,
seine Directive erhält, insofern auch dieser wieder im
schönsten Cirkel von der Gesammtmenge mehr oder weniger
beeinflusst ist, anstatt allein vom heiligen Geiste der Wahrheit
und Wissenschaft. Auch der „hyperdarwinistische"
Standpunkt Zöllners soll in den siebziger Jahren der Verbreitung
des Zöllner1 sehen Buches förderlich gewesen sein«
Wir wüssten nicht, inwiefern Zöllner sich über Darwin's
richtig erfasstes Grundprincip hinaus erhoben hätte, das
ja sogar Herr Kaplan Fischer in gewissen Grenzen selbst
anzuerkennen scheint, wenn er S. 447 sagt, dass „die frivolen
populär-wissenschaftlichen Vorträge und Schriften, die,
scheinbar auf Darwin fussend, in Wahrheit weit über das
Ziel hinausschössen, die ethische und soziale Grundlage der
modernen Gesellschaft empfindlich schädigten", wozu die
Redaction der „Natur" die trockene Note setzt; „So schlimm
ist es wohl nicht gewesen".
Hinsichtlich der Einzelbedenken über dieses Buch dürfte
die Berufung Fischers auf Prof. Försters Brief an Zöllner (von
diesem selbst mitgetheilt auf S. 404—405!) über dessen
eigene zu grosse Nationnlitätsliebe und zu kleinlichen Per-
sönlichkeits-Hervorkehrimgen besonders im Hinblick auf die
^Hoffmonn - Feier" in Berlin recht unglücklich gewählt sein.
Wie kann „die gerechte Rüge einer notorischen Tactlosigkeit"
selbst eine Abgeschmacktheit sein oder werden? Dieses
Urtheil Förster s kommt uns vor wie das eines hitzigen
Schulmeisters, der zwei streitende Buben unbekümmert darum,
wer Recht oder Unrecht von ihnen gehabt hat, in über alle
Gerechtigkeit erhabenem Zorn hintereinander durchprügelt.
Deshalb wohl hat auch Zöllner dieses unsterbliche salomonische
Urtheil selbst veröffentlicht! — Wenn aber Herr
Kaplan Fischer meint, „es könne keinem modernen Physiker
„zum Vorwurf gemacht werden, wenn er seine Theorie
„selbstständig begründet, ohne darauf aufmerksam zu sein
„oder zu machen, was in einem oder dem anderen Punkte
„etwa schon früher ein Philosoph gesagt hat, und dass ihn,
„selbst wenn er hierbei mehr oder weniger bewusst einen
„Beweis von dorther entlehnt, deshalb noch keineswegs der
„Vorwurf der Unredlichkeit mit Recht treffe, weil er höchstens
„der Eitelkeit oder Unaufrichtigkeit in etwas zu beschuldigen
„sei", so ist dieses vielleicht eine Oasuistik für den römisch-
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