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54 Psychische Studien. XI. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1884.)
„sicherten mir: „Wir thun dies nicht aus eigner Macht,
„sondern durch die Kraft des allmächtigen Gottes." —
„Wohl wissend", — schreibt Vater Johann Benjamin,
— „dass auch die Teufel glauben und zittern, vermuthete
ich in dem Allen ein feines tückisches Netz des Erzbösen
und fragte desshalb Smyrennikorv: — 'Zu wem heissen die
weissen Leute Dich denn beten, und wie lehren sie Dich
mit dem Nächsten zu leben?' —
,/Sie heissen mich nicht zu ihnen beten, sondern
„zu dem Schöpfer aller Dinge, und im Geiste und in der
„Wahrheit, von ganzem Herzen, und oft beteten sie sehr
„lange mit mir. Sie lehrten mich die Ausübung aller christlichen
Tugenden, (welche er mir auch einzeln aufzählte),
„und vor allen Dingen empfahlen sie mir, die eheliche Treue
„und Herzensreinheit zu wahren. (Dies wohl, weil die
„Aleuten in Sittenreinheit auf sehr niedriger Stufe stehen.)
„Ausserdem belehrten sie mich in anderen äussern Tugen-
„den und auch in den kirchlichen Ceremonien. Sie zeigten
„mir das Kreuzzeichen, empfahlen mir, nie ein Werk zu
„beginnen, ohne vorher Gottes Segen zu erflehen, nie früh
„in der Morgenstunde zu essen, nicht mit vielen Familien
/zusammen zu wohnen, Fische nie zu essen, gleich nachdem
„sie getödtet wurden, nie frisch geschlachtetes Fleich zu verwenden
, bevor es gut abgekühlt sei, und verschiedene Vögel
„und Meersoophiten gar nicht zu gemessen/ —
„Darauf fragte ich ihn: — 'Sind sie Dir auch heute
„nach der Communion erschienen und haben sie Dir befohlen
, mir zu gehorchen?' —
,/Ja! sie sind mir nach der Beichte erschienen und
„auch nach der Communion, und haben mir gesagt: "Ausser
„der Beichte erzähle Niemandem Deine Sünden und nach
„der Communion enthalte Dich fetter Speisen. Befolge gewissenhaft
die Lehren des Vaters Johann Benjamin, beachte
„aber nicht das Gerede der Kaufleute" (Russen welche hier
„wohnen). Und sogar heute, unterweges erschienen sie
„mir und sagten: — „Vater Johann Benjamin lässt Dich rufen,
„um dich zu befragen, wesshalb man Dich Schamane nennt;
„gestehe ihm alles offenherzig und fürchte dich durchaus
„nicht; es wird dir nichts Widerwärtiges geschehen."
„Als ich ihn dann fragte: 'Was fühlst Du in Deinem
„Herzen, wenn Du diese weissen Leute siehst, Freude oder
„Trauer?' — da antwortete er: — 'Wenn ich irgend etwas
„Böses gethan habe, schäme ich mich vor ihnen; sonst aber
„habe ich keine Furcht vor ihnen. Weil mich aber viele
„meiner Mitbrüder Schamane nennen und ich diesen Ruf
„verachte, habe ich diese weissen Leute, meine Freunde,
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