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Wittig: Zwei mohammedanische Wunderthäter.
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„sie vom Lande und vom "Wasser verschlungen werden."
— Und so geschah es. Die erste Executionstruppe gegen
ihn wurde sammt einem Nildampfer vom Mahdi und seinen
Anhängern schmählich in die Flucht geschlagen. Und nun
folgten Schlag auf Schlag seine weiteren Siege, welche ihn
nunmehr bis vor Chartum geführt haben. Dass und wie
dergleichen richtige Prophezeihungen möglich sind, darüber
hat uns bereits ein Artikel des Dr. med. W, B. Fahnestock
zu Lankester in Pennsylvania: „Katalepsie oder Statuvo-
lence" im Juni-Hefte 1883 der „Psych. Stud." des Näheren
belehrt. — Für den Kenner des statuvolischen oder hypnotischen
Trance-Mediumismus sind somit auch die berichteten
Wunder des Marabut durch die Gabe der Gedankenübertragung
oder des hellsehenden Gedankenlesens psychologisch
annähernd erklärt, wenn auch darum noch nicht vollständig
ergründet, da wir ja zur vollen Ergründung unserer Seelenkräfte
vorerst die des gesammten Weltalls kennen müssten,
welches auf dieselben beständig einwirkt und sie afficirt.
Wir vermögen eben nur unsere willkürlichen psychischen
Reactionen dagegen annähernd exact festzustellen.
Wie leicht es übrigens ist, bei einer allzublind gläubigen
, d. h. kritiklosen Gemüths- und Geistesfassung Wunder
zu sehen, wo keine sind, und sich paradiesischen Jenseits
-Illusionen hinzugeben, welche die nüchterne Wirklichkeit
mit rauhester Hand zerstören muss, lehrt uns folgende
, den durchschnittlichen Glaubenszustand der Egypter,
Araber und Sudanstämme characterisirende Anekdote.
Wo liegt die Wahrheit? Im blinden Glauben
oder in wissenschaftlicher Kritik? — In Kairo erschienen
neulich mehrere Araber bei ihrem Mufti und stellten
demselben die Frage, wie es denn komme, dass viel mehr
Muselmänner als Christen der Cholera zum Opfer fielen,
da doch Allah die Seinigen mehr beschützen sollte, als die
Ungläubigen. Dm Mufti wusste anfangs nicht, was er hierauf
erwiedern solle, und verlangte einen Tag Bedenkzeit.
— Als die Fragesteller dann wieder erschienen, erklärte
er ihnen, er habe Gott ihre Frage vorgelegt, und ein von
Demselben gesandter Erzengel habe ihm die Auskunft er-
theilt, dass eine Mauer im Paradiese eingestürzt sei, und
dass Gott zum Wiederaufbau derselben die Getreuesten
der Gläubigen berufe. — Befriedigt zogen die meisten von
dannen, Einzelne waren jedoch untröstlich darüber, dass
sie nicht auch zu der gedachten Arbeit berufen wurden.
Alle aber sind von der Wahrheit der Auskunft, die ihnen
der Mufti gegeben, felsenfest überzeugt. — Die weitere
Nutzanwendung dieser buchstäblich wahren Geschichte auf
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