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Wittig: Die Entlarvung des Spiritisten-Mediums Bastian in Wien. 99
genugsam bekannt ist, haust seit einigen Wochen wieder
in unserer Stadt, um Adepten für den spiritistischen Glauben
zu werben. Erzherzog Johann, den es interessirte, dieser
Sache auf den G-rund zu sehen, veranstaltete drei Sitzungen
in seiner Wohnung, zu welchen auch der Kronprinz erschien
. Verschiedene Herren wurden zu diesem interessanten
Schauspiele zugezogen, das erstemal auch der Schreiber
dieser Zeilen. Am 11. d. sollte wieder eine Sitzung abgehalten
werden, und eine ganz kleine Gesellschaft versammelte
sich in den erzherzoglichen Appartements: Erzherzog Rainer,
Fürst Batthyanyi, FML. Baron Schloissnigg, Oberstlieutenant
Baron Mmsshengen, und Baron Heilenbach. Der Kronprinz
und Erzherzog Johann, welche der Sache auf den Grund
kommen wollten, hatten in aller Stille einige Vorbereitungen
zur Entlarvung getroffen. Nachdem im zweiten Theile der
Sitzung mehrere Gestalten erschienen waren, flog plötzlich
hinter einem Geiste in Trauerkleidern eine Thür sausend
zu; statt gespenstisch zu verduften, suchte das entlarvte
Medium vergeblich nach einem Auswege und wurde unter
allgemeiner Heiterkeit gefangen. —n" — Wir haben in
spiritistischen Kreisen Umfrage gehalten, um Näheres über
den hier kurz gemeldeten Vorfall zu erfahren, und können
nur hierüber Folgendes mittheilen: — Schon längere Zeit
bemühen sich Spiritisten von Namen, hiesige hocharistokratische
Kreise für ihren mysteriösen Sport zu gewinnen,
und es vergeht keine Woche, wo nicht in dem einen oder
dem andern aristokratischen Salon sogenannte „Seancen"
stattfinden. Als ein Prophet der Spiritisten, welcher das
Geisterrufen am vorzüglichsten betreiben soll, gilt das
amerikanische Medium Bastian, dessen Sitzungen gewöhnlich
in zwei Abtheilungen zerfielen. In der ersten Abtheilung
sass das Medium mit anscheinend gefesselten Händen inmitten
der Gäste in einem verdunkelten Zimmer. Plötzlich
hörte man geheimnissvolle Töne, sah eine leuchtende Gui-
tarre durch die Luft fliegen, fühlte kalte Hände in den
Gesichtern und was dergleichen spiritistischer Humbug mehr
ist. Die zweite Abtheilung sah sich weit interessanter an
und gab auch dem scharfsinnigsten Beobachter ein anscheinend
unlösbares Räthsel auf. Diesmal sassen die
Gäste und das Medium getrennt; Letzteres befand sich in
einem Nebenzimmer, welches nicht durch eine Thür, sondern
nur durch einen Vorbang vom Hauptraume abgeschlossen
war. Während die Gäste im halb verdunkelten Zuschauerräume
sassen und ein Freund des Mediums einige Accorde
auf einem Ciavier anschlug, erschienen schattenhafte Gestalten
, welche aus dem Nebenzimmer herangeschwebt waren.
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