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106 Psychische Studien. XI. Jahrg. 3. Heft. (März 1884.)
berechtigte und, wie wir gleich hervorheben wollen, sehr angenehme
Aufregung hervorgerufen. Es gereichte dem aufgeklärten
Theile der Bevölkerung zur sichtlichen Befriedigung
, zwei Mitglieder des Kaiserhauses, und unter diesen
den Thronerben, als thätige Bekämpfer eines Aberglaubens
zu sehen, der seit Jahr und Tag stets weitere Kreise in
seinen Wirbel zieht und merkwürdigerweise gerade in den
obersten Schichten der Gesellschaft die meisten und gläubigsten
Adepten findet. Wir haben unseren Lesern zwar schon
vor zwei Tagen den Hergang des Vorfalles berichtet, wollen
denselben jedoch trotzdem nochmals in Kürze skizziren.
Baron Hellenbach, der bekannte philosophische und spiritistische
Schriftsteller, hatte ein berühmtes amerikanisches
Medium, Harry Bastian, nach Wien kommen lassen, um mit
dessen staunenerregonden Leistungen auf dam Gebiete des
spiritistischen Spuks seinen zahlreichen Freunden ad oculos
zu demonstriren, dass es in der That möglich sei, Geister
zu bannen und durch sie Dinge vollführen zu lassen, die
der gemeine Menschenverstand für unmöglich erklären würde.
Erzherzog Johann, dem Wunderdinge über die Leistungen
Bastian'$ zu Ohren gekommen waren, beschloss, der Sache
auf den Grund zu schauen, und lud Heilenbach sammt seinem
Medium zu. einigen „Sitzungen'*' in seine Wohnung. Bei
diesen Sitzungen, welchen auch Kronprinz Rudolf anwohnte,
producirten sich die in allen spiritistischen Vorstellungen
eine grosse Rolle spielenden fliegenden Guitarren und Glockenspiele
, tastende unsichtbare Hände und dergl., die Krone
des Ganzen aber bildeten Geister-Erscheinungen, bei denen
das Medium sich in einem benachbarten dunklen Räume
aufhielt und von dort aus seine Spirits in den von dem
übrigen Theile der Gesellschaft occupirten, matt erleuchteten
Saal sendete. Erzherzog Johann und der Kronprinz hegten
nun den Verdacht, dass Bastian selber die Rolle dieser Geister
spiele, und sie beschlossen, ihn dadurch zu überführen, dass
sie dem Gespenste, welches regelmässig in das dunkle Gemach
zu verschwinden pflegte, den Rückzug dahin verlegten.
Zu diesem Behufe wurde die zwischen beiden Räumen befindliche
Verbindungsthür mit einem Mechanismus versehen,
der dieselbe auf einen Zug an einer vorsichtig angebrachten
Leine zuklappen machte. Das Gespenst erschien, Erzherzog
Johann zog an der Leine, und der gefangene Geist entpuppte
sich als Mr. Bastian, der sich bei Gelegenheit dieser
seiner Entlarvung in nichts Anderem von einem gewöhnlichen
amerikanischen Gentleman unterschied, als dass er
die Stiefel ausgezogen und einen wallenden Schleier über
seinen Kopf gelegt hatte.
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